: Gipfel der Verfahrenstricks
Beim Klimagipfel in Genf ist inhaltlich nicht viel herausgekommen. Immerhin haben die UN-Delegationen die Opec ausgetrickst ■ Aus Genf Hermann-Josef Tenhagen
Die Ansprüche waren hochgesteckt. Der britische Umweltminister John Gummer rief seinen Kollegen beim zweiten Klimagipfel in Genf zu: „Hier in diesen Hallen haben die Nationen des Völkerbunds voller guter Absichten den Zweiten Weltkrieg nicht verhindern können. Hier haben wir schon einmal versagt.“
Der von Gummer beschworenen Verantwortung sind die Minister in dieser Woche in Genf nicht gerecht geworden. Ihre gemeinsame Erklärung geht nicht wesentlich über das Resultat des Berliner Klimagipfels 1995 hinaus: Sie bekennen sich zu einer völkerrechtlich verbindlichen Verschärfung der Klimakonvention und erkennen an, daß der vom Menschen verursachte Klimawandel schon begonnen hat. Die Erklärung ist zudem völlig unverbindlich: Sie hat eher etwas mit politischer Psychologie als mit Fortschritten im Klimaschutz zu tun.
Die Erde wird trotz solcher Erklärungen weiter aufgeheizt. Dennoch waren die meisten Klimadiplomaten am Ende des Gipfels nicht unzufrieden. Und das hat mehrere Gründe. Zum ersten waren die Erwartungen an die Konferenz niedrig wie selten. „Die Ergebnisse von Berlin sind immerhin bestätigt worden, wir haben einen ganz langsamen Prozeß hier erwartet“, erklärt Konferenzsprecher Michael Williams die gehobene Stimmung.
Zum zweiten waren Regierungen und Umweltverbände erleichtert über den Kurswechsel der US- Regierung. „Die haben sich in der internationalen Klimapolitik zurückgemeldet“, sagt Sascha Müller-Kraenner vom Deutschen Naturschutzbund (DNR). Die Amerikaner hätten zwar spezifische Verminderungsziele für die Treibhausgase verhindert, aber immerhin habe sich die Clinton-Regierung erstmals zu völkerrechtlich verbindlichen Regeln für die signifikante Verminderung der gefährlichen Treibhausgase bekannt.
Der wichtigste Grund für die gehobene Stimmung bei den progressiveren Klimadiplomaten war aber der Sieg über die Opec. Konferenzpräsident Chen Chimutengwende (Zimbabwe) ignorierte die Bedenken der Ölstaaten und ließ von einer kleinen, illustren Gruppe mit dem chinesischen, indischen, britischen und kanadischen Chefdelegierten eine Erklärung basteln, der sich alle 134 anderen Vertragsparteien anschlossen. Zuvor war es der Opec gemeinsam mit Rußland und Australien gelungen, den Klimagipfel acht Tage lang mit Geschäftsordnungstricks zum Stillstand zu bringen.
Kenner der UN halten es nicht für ausgeschlossen, daß das Vorgehen bei der Ministererklärung die Blaupause für eine schärfere Klimarahmenkonvention im Dezember 1997 im japanischen Kyoto war. „Wenn es bei den Verhandlungen in Kyoto (wegen der Opec- Staaten, d. Red.) nicht vorangeht, wird man eben kein Protokoll als zusätzliches Vetragsdokument beschließen, sondern einfach die Klimakonvention um ein Kapitel ergänzen, daß den Inhalt eines solchen Protokolls wiedergibt“, sagt der niederländische Chefdelegierte Bert Metz. Der Vorteil des Verfahrens: Zu einem Protokoll müssen die Saudis zunächst der Geschäftsordnung zustimmen. Für eine Ergänzung der Konvention selbst braucht man nur eine Dreiviertelmehrheit der Vertragsparteien. Die glauben Diplomaten wie Metz nach dem Klimagipfel in Genf zu haben.
Kuwaitische Delegierte schimpften entsprechend lautstark auf den Gängen des UN-Palais. „Das ist kein Verfahren mehr, das ist Populismus. Der Konferenzpräsident schielt nur noch nach dem meisten Applaus!“ giftet Mahmood Abdulraheem. „Es gibt nicht nur eine, es gibt zwei Gruppen von Staaten, die in der Klimapolitik gefährdet sind. Die Inselstaaten und die Ölstaaten.“
Ein Sieg über die Opec gilt bei den Umweltschützern und Klimadiplomaten immer auch als Sieg über Donald Pearlman. Der bärbeißige Lobbyist des Climate Council und Berater der Saudis, Kuwaitis und Russen habe den Ölstaaten die Empfehlung gegeben, formale Fragen beim Widerstand gegen die internationale Klimapolitik in den Vordergrund zu rücken, munkeln Konferenzteilnehmer. Sollte das so sein, muß Pearlman seine Klienten neu instruieren.
Die Ministererklärung läßt ahnen, daß in der internationalen Klimapolitik auch ohne Geschäftsordnung entschieden werden kann, wenn der politische Wille da ist. Konferenzsprecher Michael Williams siniert zum Schluß des Klimagipfels: „Der UN-Sicherheitsrat hat doch auch keine Geschäftsordnung.“
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