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Frühere KZ-Aufseherin zu Unrecht entschädigt

■ Margot Pietzner muß 64.350 Mark Stalinismus-Entschädigung zurückerstatten

Berlin (taz) – Der Fall Margot Pietzner (75) geht in eine neue Runde: Die ehemalige KZ-Aufseherin, die als Opfer des Stalinismus anerkannt wurde und für ihre Haftzeit 64.350 Mark Entschädigung erhielt, muß das Geld zurückzahlen. Dies berichtet Gerhard Dobritz, der als Chronist des Nebenlagers von Ravensbrück, Belzig-Röderhof, ihren Namen in Berichten ehemaliger Fremdarbeiterinnen gefunden hat. Das Bundesjustizministerium teilte ihm auf eine Anfrage mit, daß Margot Pietzner „zu Unrecht als ehemaliger politischer Häftling im Sinne des Häftlingshilfegesetzes anerkannt worden ist. Der entsprechende Anerkennungsbescheid ist deshalb aufgehoben.“ Dieses Schreiben stammt vom 10. Juli.

Frau Pietzner, geborene Kunz, wurde am 9. September 1992 von der damals in Berlin ansässigen „Stiftung für ehemalige politische Häftlinge“ als Opfer des Stalinismus anerkannt. Nach Inkrafttreten des 1. SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes erhielt sie am 23. März 1993 von dieser Stiftung aus Bundesmitteln eine Kapitalentschädigung von 64.350 Mark.

Sie bekam das Geld, obwohl ein ebenfalls von Frau Pietzner beantragtes Rehabilitierungsverfahren abgelehnt wurde. Dieser Fall erregte – nachdem die taz die Geschichte am 1. Dezember 1994 veröffentlichte – heftig die Gemüter. Zum Skandal kam es deshalb, weil Frau Pietzner die Entschädigung erhielt, obwohl der Stiftung Hinweise vorlagen, daß sie ab August 1944 Aufseherin des KZ-Nebenlagers in Belzig-Röderhof gewesen war.

Entschädigt wurde Margot Pietzner für die knapp zehn Jahre Haft, die sie nach ihrer Verurteilung durch ein sowjetisches Militärtribunal in Sachsenhausen, Buchenwald, Bautzen und Stollberg absaß.

Die damals bereitwillig zahlende „Stiftung“ ist seit Anfang des Jahres aufgelöst, der damalige Leiter arbeitet heute im Berliner Landessozialamt. Die Nachfolgeorganisation „Projektgruppe Häftlingshilfegesetz“ in Nürnberg hielt sich gestern mit Auskünften zurück. Angeblich sei der „Fall Pietzner“ eine Chefsache des Bundesjustizministeriums, was die Pressestelle wiederum dementierte. Dennoch bestätigte der Sprecher der „Projektgruppe“, daß seine Institution, nach „Prüfung neuerer Erkenntnisse“, das Geld zurückhaben möchte. Allerdings sei dies ein „noch schwebendes Verfahren“, da Frau Pietzner gegen den Rückforderungsbescheid klagen kann. Die Vorform der Klage, nämlich einen Widerspruch, habe sie bereits eingelegt. Anita Kugler

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