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Heftiger Schlagabtausch zwischen UNO und USA

■ Der Streit um eine zweite Amtszeit von Butros Ghali nimmt abstruse Formen an

Genf (taz) – US-Diplomaten bei der UNO in Genf und New York reagierten gestern äußerst pikiert auf Äußerungen von Sylvana Foa, der Sprecherin von UNO-Generalsekretär Butros Butros Ghali. „Diese schamlose Desinformationskampagne der USA gegen die UNO und ihre MitarbeiterInnen erinnert mich an die Ära von McCarthy.“ Mit diesen Worten hatte Foa, die in der Ära des antikommunistischen Hexenjägers Anfang der 50er Jahre in den USA aufwuchs, in der Nacht zum Mittwoch auf den Vorwurf der Clinton- Administration reagiert, UNO- Personal werde unter Verletzung von UNO-Regeln „mißbräuchlich“ für die Kampagne zur Wiederwahl von Butros Ghali eingesetzt.

Therese Gastaut, Amtskollegin von Foa in der Genfer UNO-Zentrale und dem Generalsekretär treu ergeben, war zuvor einer Stellungnahme noch ausgewichen mit der Behauptung, die Vorwürfe seien „nicht offiziell“. Obwohl diese von James Rubin, dem Sprecher der New Yorker UNO-Botschafterin Madeleine Albright, in aller Öffentlichkeit verbreitet wurden. Beide UNO-Sprecherinnen wissen nur zu gut, daß die Vorwürfe berechtigt sind und die Clinton-Administration hierfür zahlreiche Beweise beibringen kann. Aus New York und aus Genf. Am Morgen etwa, nachdem Butros Ghali während eines Bonn-Besuches Mitte Juni seine Kandidatur für eine zweite Amtszeit erklärt hatte, verteilten Gastaut und ihre MitarbeiterInnen in Genf eine eilig zusammengeschusterte Übersicht über die „Erfolge“ der UNO und ihres Generalsekretärs. Das Dokument war als „informelle“ Mitteilung gekennzeichnet und trug keinen Briefkopf. Die UNO-Sprecherin war sich des Verstoßes gegen die UNO-Regeln also durchaus bewußt.

Der jüngste Schlagabtausch zwischen der UNO und den USA macht die Chancen für eine rationale Debatte über die Anforderungen an diesen Posten wohl endgültig zunichte. Unmittelbar nach Butros Ghalis Ankündigung einer Kandidatur für eine zweite fünfjährige Amtszeit hatte die Clinton- Administration erklärt, sie werde eine Wiederwahl des Ägypters notfalls durch ein Veto im Sicherheitsrat verhindern. Washington wirft Butros Ghali in erster Linie Versagen bei der Reform der UNO vor. Dieser Kritik widerspricht allerdings ausgerechnet der ranghöchste US-Amerikaner im New Yorker Hauptquartier, der Untergeneralsekretär für Verwaltung, Joseph 0. Conner. Das Vorgehen Washingtons wurde in vielen Hauptstädten als weiterer Beleg für die zunehmende Dominanz der UNO durch die USA wahrgenommen. Staaten Afrikas und anderer Länder des Südens, die zuvor keineswegs geschlossen hinter Butros Ghali standen, solidarisierten sich mit Butros Ghali. In dieser Atmosphäre ist es für Diplomaten oder Journalisten bei der UNO gerazu eine Tabu, die vielen guten Gründe aufzuführen, die unabhängig von den Interessen Washingtons gegen eine zweite Amtszeit von Butros Ghali sprechen, wie z.B. sein Alter und sein Versagen im Bosnien-Konflikt, und für einen anderen Kandidaten oder besser noch: eine Kandidatin. Wer dies dennoch tut, gilt als Handlanger Washingtons. Bis zur Neuwahl des Generalsekretärs Mitte November dürfte sich daran wenig ändern. Andreas Zumach

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