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Die Stunde der Gratulanten

Uli Stein steht zum 500. Mal in einem Bundesligator, und Bielefeld freut sich über ein 2:0 gegen einen höflichen Gast aus Freiburg  ■ Aus Bielefeld Jörg Winterfeldt

Wenn ein Mensch ein Jubiläum feiert, lädt er sich Leute ein. Das verlangt das Brauchtum und bringt Geschenke. Am Samstag hatte der Bielefelder Tormann Uli Stein zum Festakt geladen: 500 Bundesligaspiele hat er nun absolviert, lediglich acht Kollegen vor ihm haben das bisher vollbracht. Es hätte eine herzerwärmende Gala werden können – dumm nur, daß der Tormann Stein einige Spiele verpassen mußte, weil er – mal gesperrt, mal gefeuert – nicht immer spielen durfte in seiner Karriere, wenn er hatte spielen wollen. So mußte seine rauschende Gartenparty statt im lauen Frühsommer nun im kalten Spätherbst stattfinden, auf der Bielefelder Alm statt im Hamburger Volkspark- oder dem Frankfurter Waldstadion.

Der Himmel richtete den Rahmen vorweihnachtlich an mit den zartest denkbaren Schneeflöckchen, die sanft herniederrieselten, pünktlich, als der Jubilar vor seine 19.300 Gäste trat, um Gratulationen und Gestecke entgegenzunehmen. Kaum hatte der Tormann Stein seinen Platz am Ende der Tafel eingenommen, da überreichte die Glücksgöttin Fortuna ihm ihr erstes Präsent: Den Mannschaftskollegen Maul ließ sie eine Ecke treten auf den kurzen Pfosten, den Stürmer Kuntz hob sie sanft einige Zentimeter zusätzlich an, hielt den Gegenspieler Frey leicht am Schuhwerk und dessen Torsteher Schmadtke benebelt auf der Linie, um dem Ball den Weg zu bereiten von der Fahne auf den Stürmerschopf und bis in das Tornetz.

Anschließend begannen des Tormannes Tribünen-Gratulanten dem Anlaß zu Ehren so reichhaltig Liedgut zu schmettern wie sonst selten. Den Eingangsrefrain widmeten sie feierlich dem Präsentassistenten: „Schmadtke, Schmadtke noch einmal, es war so wunderschön, Schmadtke, Schmadtke, noch einmal, wir wollen Tore sehn.“ Von „einer fruchtbaren Spielentwicklung“ sprach deren Übungsleiter Finke später, weil man „den Gegner in die Lage versetzt“ habe, „Konter zu fahren“ – die „taktisch günstigere Position“. Alle Beteiligten mühten sich in der Folge, das Ihre zum Gelingen des Nachmittags beizutragen. Die Freiburger Gäste reüssierten in dem Unterfangen, „von zwei schwachen Mannschaften die schwächere zu sein“ (Schmadtke), der Stürmer Sternkopf demonstrierte in bester Perspektive für den Jubilar Stein eine seiner schönsten Schwalben, was allerdings Steins undankbaren holländischen Mannschaftskollegen Maas „verrückt gemacht hat“.

Unterdessen bewunderte der Wettergott seine höchstpersönliche Gratifikation: Mit stetigem Niederschlag hatte er das Geläuf gerade mit der angemessenen Griffigkeit präpariert, die kleinwüchsige Ballartisten wie Steins Kameraden Maul und Reina benötigen, um dem Jubilar und seinen Gästen ein Tänzchen mit dem Gegner darzubieten. Den Rest der Feierstunde erledigte der hilflose Schiedsrichter Fleske, der drei Freiburger bereits in der ersten halben Stunde mit dem grellgelben Karton bedachte und sie damit zur Vorsicht mahnte, dem Gelingen der Festivität nicht allzu hinderlich im Wege zu stehen.

So kam es, daß der Abwehrspieler Rath sich nach der ersten Verwarnung schon frühzeitig an seinen Meister Finke wandte und um Auswechslung bat, weil er im Defensivbereich dauernd den listigen Kontern gegenüberstand und jeder weitere Karton ihm nicht nur dieses, sondern auch das nächste Spiel vermiest hätte. „Den letzten beißen die Hunde“, nennt Finke das Risiko, vor dem er Rath erst schützte, als der Reinas Geschenkzauber zum zweiten Bielefelder Tor hilflos mitangesehen hatte.

Zuvor hatte die Glücksgöttin Fortuna dem Tormann Stein die Party gerettet, als sie einem Schuß des Freiburger Wagners im letzten Augenblick die Lattenunterkante entgegensetzte. Geht so was auch noch schief, hat der Analytiker Finke erkannt, „dann kämpft so eine robuste Truppe wie Arminia das Ding nach Hause“. Weil das inzwischen schon zum dritten Mal in Folge passiert ist, herrscht Hochstimmung auf der Alm nach dem leichten Aufstieg aus dem dunklen Tabellenkeller. Das Team hat realisiert, „daß wir keine Abstiegsmannschaft sind“ (Maas) und, „was man braucht, um den Klassenerhalt zu schaffen“ (Jubilar Stein). Spieler Maul etwa fühlt sich nun „besser“ – unlängst sei er noch „froh gewesen, wenn ich nicht ganz so oft angespielt wurde“, heute kickt er von Herzen mit.

Auch wenn einer wie Middendorp einem wie Stein gewiß in einer solchen Feierstunde nicht nachträgt, daß der Tormann dem Trainer gelegentlich die Meinung lautstark in das Antlitz haucht, war der auch unter der Woche noch in eine veritable Schwärmerei geraten: Ein Koreaner hat bei ihm vorspielen dürfen – und imponiert, weil „der einen noch mit 'nem richtigen Diener begrüßt“.

SC Freiburg: Schmadtke - Spanring, Heidenreich, Rath (76. Buric) - Korell, Frey, Spies, Zeyer, Sternkopf (56. Marasek) - Decheiver, Wassmer (61. Wagner)

Zuschauer: 16.000

Tore: 1:0 Kuntz (2.), 2:0 Reina (73.)

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