piwik no script img

Kiffen auf Karte Von Mathias Bröckers

Nach der Cash-Card war das zu erwarten: Jetzt kommt die Hasch- Card. Zunächst nur in drei schleswig-holsteinischen Landkreisen soll mit einem solchen Ausweis der Kauf von bis zu fünf Gramm Haschisch in Apotheken erlaubt werden. Um Handel mit der legalen Ware zu verhindern, wird der Preis etwas höher liegen als auf dem Schwarzmarkt. Bei Polizeikontrollen berechtigt die Karte zur Mitführung von fünf Gramm, ohne daß ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, jede/r über 16 kann eine Karte erhalten.

So simpel und praktikabel diese Ausführungsbestimmungen für den schleswig-holsteinischen Modellversuch auch sind, die Codierung der Hasch-Card erlaubt nur die Auswertung des Konsumverhaltens und enthält keine persönlichen Daten. Ob das Bundesinstitut für Arzneimittel dem Experiment zustimmt, ist keineswegs sicher. Daß das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Markttrennung von harten und weichen Drogen anheimgestellt hat, schert die Drogenkrieger der Kohl-Regierung nämlich wenig. Schon im Vorfeld des von den Ländergesundheitsministern beschlossenen Projekts haben sie aufgejault, und auch jetzt werden sie wieder ihren Prohibitionsfundamentalismus predigen.

Dabei könnte die Arzneimittelbehörde durch eine Zustimmung zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zum einen arbeitet sie ohnehin gerade an der Wiederzulassung des Hanfwirkstoffs THC als Arzneimittel, und das Versorgungsproblem für Patienten mit einer solchen Karte könnte perfekt gelöst werden. Zum anderen käme die Reform einer untauglichen Drogenpolitik auf den Weg, von der das Gesundheitskommissariat der UNO schon vor 20 Jahren festgestellt hat, daß die Schäden einer Verfolgung von Cannabis größer sind als die Schäden durch die Droge selbst.

Da in den drei auserwählten Landkreisen eine Zuzugswelle sondergleichen einsetzen wird – immerhin soll das Modell fünf Jahre laufen –, stellen sich schon jetzt brisante Fragen: Wie sieht es mit Zweitwohnsitzen aus? Wie mit Besuchern? Sind die Karten übertragbar? Gibt es so etwas wie eine Gäste-Nasch-Card? Die Jugend Europas würde selbst in abgelegenen Regionen den Tourismus schlagartig wiederbeleben.

Ein erfolgreicher Hasch-Card- Modellversuch in Deutschland hätte europaweit nichts zu befürchten, selbst nicht seitens des Erzprohibitionisten Chirac, solange Kohl das Haschisch für den deutschen Großversuch bei Freund Hassan in Marokko einkaufen läßt.

Das Ergebnis des Modellprojekts ist nach den Erfahrungen mit den Coffeeshops in Holland vorhersagbar: Nach einer stürmischen Probierphase am Anfang wird sich der Cannabisverbrauch schnell wieder einpendeln und langfristig zurückgehen, weil der Reiz des Verbotenen fehlt. Gleichzeitig werden weniger Jugendliche in Kontakt und Abhängigkeit von Heroin und anderem harten Stoff geraten – Holland kann hier mit wesentlich besseren Zahlen aufwarten als zum Beispiel Frankreich oder die USA. Von einem Erfolg dieses Modellversuchs hätten nur zwei Interessengruppen etwas zu befürchten: die Hardliner der Prohibitionspolitik und die Mafia, die ihnen ihr Milliardengeschäft verdankt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen