■ Weltheilung in Heimarbeit: GaiaGedanken Projekt
Und Sie? Was haben Sie gemacht, heute vor einer Woche zwischen 18.30 Uhr und 18.35 Uhr? Etwa im Stau gestanden, das Bruttosozialprodukt gesteigert, Ulrich Meyer angestarrt, Leberwurstbrot gegessen, Fußnägel geschnitten? – Ja, lesen Sie denn kein Internet? Oder ist Ihnen das eigene Wohlergehen einfach wichtiger als das unseres schönen Planeten? Wie gut, daß es noch hier und da altruistische Erdenbürger gibt. Juliana Balistreri beispielsweise (geb. 21.1. 1966, 8.22 Uhr in Milwaukee, WI) und Jim Fournier (geb. 30.5. 1961, 18.37 Uhr in Washington, DC). Ausgestattet with a vision and a computer saßen die beiden im sonnigen San Francisco und riefen unter „www.gaiamind.com“ zur Teilnahme am unkommerziellen, überkonfessionellen und internationalen „The GaiaMind Project“ auf.
Jim Fournier selbst hatte bereits vor drei Jahren entdecken dürfen, daß Sonne, Mond und Sterne unseres Sonnensystems am 23. Januar 1997 zwischen 12.30 Uhr und 12.35 Uhr New Yorker Zeit (= 18.30 Uhr bis 18.35 Uhr MEZ) in eine derart seltene Konfiguration eintreten, wie sie die Welt seit der Renaissance nicht mehr erlebt hatte. Und was könnte man mit dieser Entdeckung Sinnvolleres anfangen als eine – auf der sog. „Gaia-Hypothese“ des britischen Klimatologen, Chemikers, Exobiologen, Biosphären-Experten und Geophysiologen James Lovelock beruhende – Global Meditation zu initiieren und via Internet als Global Grassroot Movement zu verbreiten? Meditiert werden sollte nicht, um etwaige Jupiterasteroiden abzuwehren (vgl. taz vom 3. bis 13. Januar), sondern ganz einfach für eine transformation des global consciousness bzw., um einen shift in our understanding of our relationship with Gaia herzustellen, also durch die power of intentional synergy mitzuhelfen, die evolution of consciousness voranzutreiben, das global healing zu steigern und zugleich das symbolic healing potential of light sichtbar zu machen. Das leuchtete mir ein. Hatte ich doch bereits vor einigen Jahren bei einer öffentlichen „Zornzirkel“-Lesung in einer Heidelberger Diskothek erste zarte Bande zum Gaia Movement knüpfen dürfen. Außerdem stand dort geschrieben, die participation sei simple, was, wie sich herausstellte, stimmte.
Als der Abend des 23. Januars nahte, hatte ich mir – weil ich vom „China Healthways Institute“ noch schnell hatte in Erfahrung bringen können, daß des Weltheilers radiation einen effect of ionizing the surrounding atmosphere haben könne – für den Fall, daß mir vorzeitig die Ionen auszugehen drohten, noch eine Flasche ionisierten Wassers bereitgestellt, das ich seinerzeit auf einem Flohmarkt in Ibach im Südschwarzwald hatte günstig aus der Konkursmasse von Erika Bertschinger-Eicke habe erwerben können.
Dann endlich war es soweit:
Um 18.30 dachte ich an die millions of people, die nun weltweit wie ich dasäßen, ich dachte an das very real suffering and degration that we and all life on Earth are facing und daran, daß ich mal wieder die alten Zeitungen zum Altpapiercontainer bringen könnte.
Um 18.31 Uhr verspürte ich einen verstärkten Harndrang.
Um 18.32 Uhr entdeckte ich die Fernbedienung vom Videorecorder unterm Sofa.
Um 18.33 Uhr kam ich mir kurzzeitig ziemlich blöd vor.
Und um 18.34 Uhr verspürte ich immer noch einen verstärkten Harndrang, und mir fiel auf, wie dumm es von mir gewesen war, daß ich nicht das Telefon abgestellt hatte, weil doch alles umsonst gewesen wäre, wenn ausgerechnet jetzt jemand anrufen würde.
Um 18.36 Uhr habe ich ein Leberwurstbrot gegessen und mir anschließend die Fußnägel geschnitten. Christoph Schultheis
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