piwik no script img

■ Nebensachen aus BrüsselBlondinenwitze aus Skandinavien

Ob Blonde wirklich mehr Spaß im Leben haben? Wir werden es wohl nie erfahren. Dabei waren wir kurz davor. Skandinavische PraktikantInnen der EU-Kommission wollten eine Party machen und hatten dafür in den über ganz Brüssel verstreuten Gebäuden der EU-Kommission Plakate aufgehängt. Aber die sind jetzt weg, und keiner erinnert sich, wo die Party sein soll.

Der finnische EU-Kommissar Erkki Liikanen, verantwortlich unter anderem für die Ordnung in EU-Häusern, soll die Anweisung gegeben haben, die Poster von den schwarzen Brettern zu nehmen. „Blonds have more fun“, behauptete darauf eine sich am Boden räkelnde Blondine, an der weiter nichts Anstößiges zu sehen war. Das Poster stammt von einem uralten Film, ich glaube mit Marylin Monroe, auch wenn die auf dem Foto ganz bestimmt nicht die Monroe ist. „Beweise uns das Gegenteil“, haben die SkandinavierInnen dazu geschrieben und ihre Party als Ort der Prüfung vorgeschlagen.

Dazu wird es nicht kommen. Die schwedische EU-Kommissarin Anita Gradin, alles andere als blond, schrieb einen geharnischten Brief an den blonden Liikanen. Mit solchen Plakaten würden Frauen degradiert. Der finnische EU-Kommissar ließ daraufhin die Poster von den schwarzen Brettern entfernen. Sogar die Eintrittskarten mußten eingestampft werden. Jetzt rätseln EU- Beamte, wie das mit dem Bild zusammenpaßt, das sie von den lebensfrohen SchwedInnen und FinnInnen hatten, bevor diese in die Europäische Union kamen. Die Grünen im Europaparlament sind da schon einen Lernschritt weiter. Das sei alles ein Mißverständnis gewesen, eine psychologische Fehleinschätzung der Saunafreunde. Die EU werde noch ihr blaues Wunder mit den verbotswütigen SkandinavierInnen erleben. Schwedische und finnische Abgeordnete seien von der Idee besessen, daß die Bevölkerung nur mit Gesetzen und Vorschriften davon abzuhalten sei, sich selbst zu schaden.

Gereift ist diese Erkenntnis in innerparteilichen Diskussionen um eine vernünftigere Drogenpolitik. Während sich derzeit in vielen Ländern Erstaunliches tut und selbst etliche Konservative langsam umdenken, halten die schwedischen Grünen eisern Verbotschilder in die Luft. Nur was gesund ist, darf erlaubt sein, alles andere gehört verboten.

Dabei sah das am Anfang ganz anders aus. Als die nordischen Aufnahmeverhandlungen mit der EU liefen, kämpfte da nicht die schwedische Regierung vor allem um ihren Snus, eine Art Kautabak, der die Zähne braun macht und das Hirn ein bißchen anduselt. Französische Politiker fürchteten, daß sich das Zeug im grenzenlosen Binnenmarkt so schnell ausbreiten könnte wie vor ein paar Jahren die Big Macs in Paris und sahen bereits die europäische Jugend in der Umnachtung verschwinden. Der Streit endete mit einem für alle Seiten befriedigenden Kompromiß. SchwedeInnen und FinnInnen dürfen sich weiterhin Snus einpfeifen, im restlichen Europa aber wird das Zeug nicht gehandelt. Die Chancen für das Entstehen eines schwunghaften Snusschmuggels wurden nach Selbstversuchen kontinentaler SnustesterInnen als unwahrscheinlich eingeschätzt.

Die SchwedInnen auf der Seite der Freiheit, so war das. In Brüssel kann sich kaum jemand daran erinnern. Heute wird darüber gerätselt, wo sich Schwedens Nachwuchs in der EU-Hauptstadt versteckt, damit er nicht von den Aufsehern aus der Heimat erwischt wird. Alois Berger

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen