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Durchs DröhnlandVerwirrte Archäologen vom Planeten Rock

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Die letzte CD von Molecules hieß „No-Fi“, und das ist dann auch Programm. Was allerdings nicht bedeutet, daß die Musik des amerikanisch-japanischen Trios unterproduziert ist, aber um irgendwelche Gleichklanggesetze schert man sich wenig. Jazz ist es garantiert nicht, No Wave auch irgendwie nicht, statt dessen lassen sich überall altmodische Popstrukturen erkennen, aber die Brechungen, auch gerne ironische, halten kaum Schritt mit den Sound-Spielereien. Es ist viel Platz zwischen Wohlklang und Geräusch-Experimenten, das vor allem zeigen Molecules überdeutlich auf.

14. 3., 22.30 Uhr, Roter Salon der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte

Belgien, Heimstätte der Electronic Body Music, schickt diesmal Erweiterungen des angejahrten Konzepts ins Rennen. Sonar sind zwar vom Prinzip her noch recht rhythmisch, aber ihr kalter Industrial geht gerne mal ins episch Düstere über. Die Hybryds lassen das Tanzen gleich ganz sein, auch wenn sie ein paar Trommelschläge drauf haben, die wie von einer Steinzeit-Party gesamplet klingen. Ansonsten treibt man sich im Mystischen herum, adaptiert archaische Klänge und altertümliche Ethnosounds, aber schreckt auch vor metallischem Krach nicht zurück, um „bewußtseinserweiternd“ zu sein.

Mit Colapse (UK), 14. 3., 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Ebenfalls aus Belgien kommen Hooverphonic, die sich mit einer adäquat gedehnten Frauenstimme recht erfolgreich ins TripHop-Fieber einklinken. Sie sind nicht ganz so elegisch wie Portishead, bei weitem nicht so klaustrophobisch wie Tricky, aber dafür experimentieren sie mit ein paar Space-Sounds, ab und zu geistert eine Glam-Rock-Gitarre durch den Äther, oder der Rhythmus zieht sogar ein wenig an. Zuerst mußten sie aus Liverpool nach London umsiedeln, aber inzwischen haben es Apollo Four Forty in England bis zur Untermalung von Werbespots und hierzulande von „Ran“-Sendungen geschafft. Wenn sich die drei nicht gerade bei allem bedienen, ob nun Dub, TripHop, Cocktail-Jazz oder Drum'n'Bass, laden sie sich schon mal Gastvokalisten zu. In ihrem Abwechslungsreichtum drohen sie zwar umzukommen, aber für Anfänger bieten sie einen hübschen Querschnitt durch aktuelle Tanzbodentendenzen. Die beiden Acts wurden von der Sony mit einigen DJs auf „Cool Vibes Tour“ geschickt, um die gleichnamigen Sampler zu promoten.

15. 3., 22 Uhr, Arena, Eichenstraße 4, Treptow

Naklada waren, trotz aller überzeugend gequälten Poesie, nie so mein Fall, weshalb mich der in Berlin ansässige Englishman David Hull allein dann doch überrascht. Vielleicht liegt's einfach daran, daß die Geige verschwunden ist und statt dessen haufenweise kaum noch zu identifizierende Klangerzeuger im Hintergrund obskure Geräusche machen. Dazu singt Hull ziemlich nölig, manchmal ohne rechte Struktur, aber das Ganze setzt sich dann zu einer Art Avantgarde- Rock zusammen, der mal nach frühem Bowie ohne Glamour klingt, dann nach Velvet Underground ohne Reedsches Rockertum und schlußendlich doch einfach ziemlich eigen und vor allem eigentümlich. Ach ja, fast hätte ich es vergessen: Syd Barrett, dieser Name mußte auch unbedingt noch fallen.

15. 3., 23 Uhr, Eimer, Rosenthaler Straße 68, Mitte

Wenn in zwei, drei Jahrhunderten dereinst Archäologen ein paar alte CDs ausbuddeln und versuchen, den beherrschenden Rocksound des ausgehenden zweiten Jahrtausends nach Christus zu rekonstruieren, wird es keinen großen Unterschied machen, ob sie auf eine Pearl-Jam-Aufnahme oder auf eine von Gum stoßen. Das allerdings nützt Sven und Jan Schumacher und ihrem Mitstreiter Moses Schneider momentan nicht viel, denn trotz einer Wagenladung von Sexappeal, international kompatiblem Rock und bleischweren bis zuckersüßen Melodien droht Gum dasselbe Schicksal, das schon No Harms, das erste Projekt der Schumacher-Brüder, ereilte: So richtig erfolgreich wird halt meist nur das Original, da mag die Kopie noch so gut sein.

15.3., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36-39, Prenzlauer Berg

Die eben erwähnten Archäologen wären allerdings recht verwirrt, wenn sie was von Wanda Chrome and the Leather Pharaohs ausgraben würden. Die hören sich knorke bratzend so an wie die beste aller denkbaren 60ies Garagen-Bands. Ich wette, da sind noch ein paar historische Vox- Verstärker zugange, gecovert werden Klassiker wie „Teenage Head“ von den Flamin' Groovies oder „Kick Out the Jams“ von MC5. Es ist halt nur Rock 'n' Roll, und man mag es – oder auch nicht. Nach den Wurzeln dürfen dann die strikt männlichen Yeti Girls aus Köln ihre eher zeitgemäße Version von Punkrock zum Besten geben.

16. 3., 20 Uhr, Trash, Oranienstraße 40/41, Kreuzberg

Wenn Düsseldorf jemals eine musikalische Tradition hatte, dann die, Pop zu wollen, mit Elektronik zu experimentieren und dafür Kunst zu beanspruchen. Da zieht sich eine Linie von Can und Kraftwerk über Der Plan zu Kreidler. Zwar mischen sie Synthesizer und Sampling mit herkömmlichen Instrumenten und wagen sich nicht ganz so weit vor wie Tortoise, die eigentlich elektronische Meditationen in klassischer Rockbandbesetzung spielen, aber auch Kreidler wissen, wie man ein Instrumental und seinen langsamen Spannungsbogen aufbaut, wie man von leichter Hand dahindaddelt, ohne gleich leichtfertig zu klingen. Das ist oft sehr schön, manchmal auch sehr irritierend, aber vor allem doch recht einzigartig.

18. 3., 21 Uhr, Knaack

So ganz war es ja nie zu verleugnen, daß Billy Bragg im tiefsten Grunde seines Herzens eigentlich ein Liebhaber großer Popmusik ist. Das hat sich in den letzten Jahren zunehmend Bahn gebrochen, aber ist nun auf „William Bloke“ zu allerhöchster Blüte gelangt. Es gibt einfach niemanden sonst, der unterstützt von kräftigen Soul-Bläsern eine Zeile wie „You've got a socialism of the heart“ singen kann, und das hört sich ebenso gefühlig an wie das „Need you, want you, love you“- Geblubber anderer. Bragg ist natürlich auch weiterhin oft knarzig und bleibt auf der Bühne der Agitator, aber gerade da glänzte er schon immer mit Humor. Es ist Zeit, dem alten Kumpel Billy wieder mal einen Besuch abzustatten.

19. 3., 21 Uhr, Huxleys, Hasenheide 108–114, Neukölln Thomas Winkler

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