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Beethoven irgendwie

■ Gehetzt, aufgesetzt, nicht durchhörbar: Das Württembergische Kammerorchester Heilbronn vergeigte ein Meisterkonzert

Es ist gut zwanzig Jahre her, daß man in InterpretInnenkreisen und mit dem Publikum um die sogenannte historische Aufführungspraxis gestritten hat. Je mehr Fakten herangezogen werden konnten, desto schwächer wurde die Position der DogmatikerInnen auf beiden Seiten. Die Einsicht verbreitete sich, daß Besetzungen, Strich- und Blastechniken, die Bauweise der Instrumente selbst zu den Grundlagen der Kompositionen gehört hatten und gehören. Die Frage, ob Beethoven eine Sehnsucht nach dem ihm noch unbekannten Steinwayflügel gehabt und somit „für“modernere Instrumente komponiert haben könnte, ist so irrelevant wie das Rätseln, ob Rembrandt vielleicht lieber mit Acrylfarben gemalt hätte.

Trotzdem haben sich die Positionen im Laufe der Jahre insofern angenähert, als auch Interpreten wie Nicolaus Harnoncourt aus dem Instrumentarium selbst kein Dogma mehr machen. Für eine Interpretationspraxis, die ernst genommen werden will, sind aber zum Beispiel Besetzungsfragen – besonders das Verhältnis Bläser-Streicher oder die Artikulationen – zu Recht einigermaßen verbindlich geworden.

Aber es gibt offensichtlich immer noch Orchester und Dirigenten, die das alles nicht schert: So jetzt zu hören im Meisterkonzert am Mittwoch abend in der Glocke. Das Württembergische Kammerorchester Heilbronn unter der Leitung von Joerg Färber begleitete Beethovens erstes Klavierkonzert: Die viel zu große, zudem verheerend streicherlastige Besetzung verhinderte jegliche Durchhörbarkeit genauso wie die grobe Pauschalisierung der Artikulation und dynamischen Grade. Gehetzt, aufgesetzt, gedonnert: Dazwischen mußte sich Anatol Ugorski, der für die erkrankte Martha Argerich den Solopart übernommen hatte, zurechtfinden.

Es gelang ihm auch. Denn sein großes, solistisches Spiel stellte seinerseits nicht den Anspruch, historische Voraussetzungen – wie zum Beispiel die, daß der Solist Beethoven bei der Uraufführung 1800 nicht vor, sondern im Orchester saß – zur Kenntnis zu nehmen. Abgesehen davon war sein attaccaartiges Spiel voller Dramatik und Poesie mit einer erstaunlichen Fülle von geheimnisvollen Klangfarben, was man durchaus genießen konnte, wenn man nicht unbedingt Beethoven hören wollte.

So etwas wie „leggieramente“im letzten Satz oder zugrunde liegende tänzerische Charaktere gab–s auch bei Ugorski nicht. Seine Zugabe, das Nocturne für die linke Hand von Alexander Skrjabin, war von traumartiger Schönheit: Diese harmonisch wuchernde, nahezu mystische Musik zeigt eher die Größe des Pianisten als die dialogische „Klangrede“des frühen Beethoven.

Grob erklang die Ouvertüre zu „Iphigenie in Aulis“von Christoph Willibald Gluck: Ungenau in den lyrischen Teilen und nur laut und aufgedonnert in den dramatischen. Die Wiedergabe der Sinfonie in C-Dur von Georges Bizet litt unter dem dauerhaften Hochdruck, der jede dramaturgische Plausibilität zunichte machte. An einzelnen Pulten saßen MusikerInnen, die durch ihr kammermusikalisches Verhalten dem entgegenzusteuern versuchten – ohne Erfolg. Kurzer heftiger Beifall. Ute Schalz-Laurenze

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