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■ Ein Aufruf zur Rettung einer aussterbenden ArtDas geglückte Wochenende

Längst hätte sich der WWF des Problems annehmen müssen. Wenn eine Umweltgruppe aus Chippewa Falls/Wisconsin bemerkt, daß die Trompetenrüsselamöbe vom Aussterben bedroht ist, stellt sich die halbe Menschheit eine Kerze ins Fenster und betet vor dem Abendessen für das Wohlergehen des Amöberichs. Für jeden dahinröchelnden Nacktnasenwombat wird ein eigener Trauermarsch komponiert, und jede Singvogelart, die die Fähre über den Jordan nimmt, kann sicher sein, daß sie für die Fußgängerzone von Bad Orb in Messing gegossen wird. Wer aber erhebt mahnend den Zeigefinger, um vorm Verschwinden des geglückten Wochenendes zu warnen? Keiner. Beziehungsweise: ich.

Wie jedermann weiß, beginnt das geglückte Wochenende mit einer ausgedehnten Schlafphase, die nicht vor Samstag mittag enden sollte. Sorgsam haben wir alle Vorkehrungen getroffen: Wir haben die Haustürklingel leise gestellt und das Telefon ausgestöpselt – doch leider waren weder die Liebste noch ich so klug, die örtliche Abwasserentsorgungsbehörde in die Luft zu sprengen. Infolgedessen postieren die Jungs von der Kanalreinigung ihr quietschoranges Spielmobil pünktlich um sieben vor unserem Schlafzimmerfenster, um unter bombenkriegsähnlichem Getöse die städtischen Güllerohre durchzupusten. Versteht sich, daß sie ihre Arbeit gründlich machen. Ist denn irgendwo gesetzlich festgeschrieben, daß nur Fußballspiele 90 Minuten dauern dürfen? Nein. Statt dessen ordnet das „Kleine Handbuch des Lärmterroristen“ eine Verlängerung an, wenn es nach Ende der regulären Spielzeit zwischen Kanalverstopfung und Reinigungsjungs noch immer unentschieden steht. So rückt denn Verstärkung mit Preßlufthämmern und anderen phonstarken Instrumenten an, und weil die Liebste jetzt ernsthaft daran zu arbeiten beginnt, ihr schönes Antlitz an der Zimmerwand breitzuschlagen, beschließe ich, die Nachtruhe für beendet zu erklären.

Indessen wird das geglückte Wochenende nicht nur von städtischen Kracharbeitern bedroht, sondern auch von Kühlschränken, die sich ohne Vorwarnung selbsttätig abzutauen pflegen. An ein opulentes Frühstück ist jedenfalls nicht zu denken, da sämtliche dafür benötigten Genußmittel nach dem Öffnen der Kühlschranktür von einer Schmelzwasserwelle in die Küche hinausgeschwemmt werden. Weil überdies das ehemals tiefgefrorene Kaninchen wegen der sommerlichen Temperaturen deutliche Verwesungssymptome zeigt, bleibt uns nichts übrig, als den Wochenendeinkauf mit knurrenden Mägen zu wiederholen, was wegen des samstäglich notorischen Schlachtengetümmels in unseren Kaufanstalten nicht gerade zur Verbesserung der Stimmung beiträgt. Schon macht die Liebste ihr gefürchtetes Nitroglyzerin-Gesicht, und so brauche ich später beim Rasieren nur noch den Spiegel mit Seife zu bekleckern, um den Sprengsatz zu zünden und dafür zu sorgen, daß sie es vorzieht, am Abend mit der besten Freundin zu einem gewaltigen Zug durch die Gemeinde aufzubrechen, während ich versuchen muß, das Fernsehprogramm mit Hilfe des Hausbarinhalts zu überleben.

Was folgt, ist ein Sonntag, der uns zumindest insoweit wieder zusammenführt, als wir beide unter den drei bösartigen Bs zu leiden haben: Brummschädel, Brechreiz und Bloßnichtsessen. Damit wir schließlich gar nichts mehr zu lachen haben, kommt auch noch der Bruder der Liebsten nebst Gattin zu Besuch, und wer jetzt immer noch nicht begriffen hat, daß das geglückte Wochenende unter Artenschutz gestellt werden muß, dem kann ich auch nicht helfen. Gute Nacht! Joachim Schulz

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