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Die Schere geht weiter auf

■ Nie fehlten so viele Lehrstellen wie diesmal. 31.725 Jugendliche suchten im Juni einen Ausbildungsplatz. DGB fordert Umlage, weil "Marktwirtschaft versagt"

Jeder, der will, soll einen Ausbildungsplatz erhalten, versprechen Wirtschaft und Politik. Aber in Berlin und Brandenburg suchten Ende Juni noch 31.725 Jugendliche einen Ausbildungsplatz. Hingegen waren nur noch 3.614 Stellen frei. „Die Nachfrage ist um 12 Prozent gestiegen, das Angebot ist gleichzeitig um 10 Prozent zurückgegangen“, faßt Marco Steegmann, Landesjugendsekretär des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Berlin-Brandenburg, zusammen. Die Schere geht also weiter auf.

Üblicherweise entspannt sich das Problem bis Ende August noch ein wenig. Dafür stehen Appelle und vor allem Warteschleifen. Rund 8.000 Jugendliche wurden 1996 in schulischen Lehrgängen oder berufsvorbereitenden Maßnahmen untergebracht. Sie drängen dieses Jahr auf den Arbeitsmarkt. Berlin sei „deutscher Meister im Statistik-Schönen“, meinte Steegmann.

Für Bernd Rissmann, Vizelandesvorsitzender des DGB, hat die „sogenannte freie und soziale Marktwirtschaft“ versagt. 75 Prozent der Unternehmen bilden nicht aus. Schon länger gibt es daher das Konzept, die Ausbildungskosten auf die Gesamtheit der Arbeitgeber umzulegen. Firmen, die keine Lehrlinge einstellen, sollen dabei zahlen; die anderen, die über ihren normalen Bedarf hinaus Plätze anbieten, werden mit diesem Geld unterstützt. Die Jusos unterstützen das plakativ – „Wer nicht ausbildet, wird umgelegt“, und die Baubranche praktiziert bereits seit 20 Jahren eine Alternative: die Umlage der Ausbildungskosten auf alle Betriebe. So will es der Tarifvertrag.

Die meisten Lehrstellen in Berlin und Brandenburg bietet immer noch die Baubranche, rund 16.000. Im Hotel- und Gaststättengewerbe sind es rund 8.000. 18 davon stellt der DGB selbst, in seiner Bildungsstätte in Flecken Zechlin bei Neuruppin. Aber in der Industrie sind die Chancen in den letzten Jahren schlechter geworden. „Siemens und Daimler haben jedes Jahr im zweistelligen Prozentbereich Ausbildungsplätze abgebaut. Das Handwerk hat dies teilweise aufgefangen“, sagte Rissmann.

Für größere Verbesserungen setzt der DGB auf die Politik. Spätestens im September werde die SPD im Bundestag einen Gesetzentwurf zur Umlegung der Ausbildungskosten auf alle Betriebe einbringen. An die Zahl ihrer Bewerbungen könne sie sich nicht erinnern, sagte Leyla, eine Bewerberin aus Reinickendorf. Über hundert Bewerbungen seien es, weiß die Mutter: „Wir sind runtergegangen bis auf Tankwart oder Friseurlehrling.“ Und Leyla ergänzt: „Nur Putzfrau will ich nicht werden.“ Matthias Fink

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