Alle Räder stehen still, wenn der Kongreß es will

■ Bürgerinitiativen-Verkehrskongreß lockt über 500 InitiativlerInnen nach Hamburg

„Wir haben keine Macht, aber wir machen was“, bringt Bernd Herzog-Schlagk vom Berliner Arbeitskreis Verkehr und Umwelt die Aktivitäten der 4000 bundesdeutschen Verkehrs-Initiativen auf den Punkt. Für den seit gestern an der Hochschule für bildende Künste am Lerchenfeld stattfindenden zehnten bundesweiten Bürgerinitiativen-Verkehrskongreß haben sich die über 500 versammelten AktivistInnen einiges vorgenommen: Die Bilanz von fast 20 Jahren verkehrspolitischer Initiativarbeit soll gezogen, die Entwicklung alternativer Verkehrskonzepte vorangebracht werden.

Karl-Heinz Ludewig vom Berliner Arbeitskreis: „Der Kongreß ist für uns ein wichtiges Forum der Meinungsbildung und ein zentrales Bindeglied der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Initiativen“. Auf dem bis Sonntag andauernden Kongreß, der gegen eine geringe Teilnahme-Gebühr allen HamburgerInnen offensteht, geht es laut Herzog-Schlagk auch darum, „den Stau in den Köpfen der Politiker aufzulösen“.

Das sei zum Teil schon gelungen. Ludewig: „Forderungen, die vor zehn Jahren als zu radikal abgelehnt wurden, sind heute längst Bestandteil der Programme aller Parteien“. So hätten die Verkehrsinitiativen die Einrichtung von Tempo-30-Zonen in Wohngebieten durchgesetzt und zahlreiche Autobahnneubauten verhindert. Auch die beiden ersten Anläufe, eine Transrapidstrecke zwischen Hamburg und Hannover oder Bonn und Essen zu bauen, hätten verhindert werden können. Nun soll Tempo 30 auch auf den Hauptverkehrsstraßen etabliert und die Magnetschwebebahn endgültig eingemottet werden.

Auf zahlreichen Vorträgen und in zwei Dutzend Arbeitsgruppen stehen die Belastung des Verkehrs für Gesundheit und Umwelt sowie die Arbeit der BürgerInnen-Inis im Mittelpunkt. Aktuelle Themen wie „Ozonsmog“ oder „Fernstraßenfinanzierung“ werden diskutiert, außerdem geht es um „Mobilität von Frauen“ und „FußgängerInnen contra RadfahrerInnen“.

Ausflüge zu Hamburger Verkehrsbrennpunkten stehen ebenso auf dem Programm wie die Exkursion „Blindgehen für Sehende und Rollstuhlfahren für Gehende“, mit der die kaum überbrückbaren Schwierigkeiten, die behinderte Menschen im Verkehr haben, sinnlich erfahrbar gemacht werden sollen. Ein attraktives Rahmenprogramm mit Kabarett-Vorführungen, Ausstellungen und einer Party, die den Kongreß zum Tanzen bringt, runden das Programm ab.

Für Überraschungsbonbons ist ebenfalls gesorgt: Einige der Exkursionen, so „warnen“ die Kongreß-VeranstalterInnen, könnten sich durchaus „als Aktionen entpuppen“. Frei nach dem Motto: „Alle Räder stehen still, wenn der Verkehrskongreß es will“.

Marco Carini