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„An die Wand gefahren“

ABM-Träger verzweifelt: Projekte nur noch mit Zustimmung der Innungen. Und die wollen andere Saiten aufziehen und blockieren  ■ Von Silke Mertins

Graffiti, Schmier und Schmuddel, wohin man sieht: Die Pausenhalle der Gesamtschule Steilshoop bräuchte dringend eine Renovierung. Eine Privatfirma kommt nicht in Frage; Geld ist keins da, dafür aber die rettende Idee: eine Handwerkerkolonne aus einem ABM-Projekt soll anrücken.

Aber: „Das haben wir nicht durchgekriegt“, bedauert Holger Stümpel vom ABM-Träger „SAUF“. Die Maler- und Lackierer-Innung wollte lieber eine Firma aus den eigenen Reihen in der Pausenhalle pinseln sehen und legte ihr Veto ein. Denn: Nach dem neuen Arbeitsförderungsgesetz dürfen gewerbliche ABM-Projekte nur bei Zustimmung der betroffenen Innung genehmigt werden. Die geplanten Projekte müssen ausgeschrieben und dürfen nur noch dann von den Freien Trägern selbst übernommen werden, wenn keine Privatfirma Interesse bekundet. Ziel soll sein, den „Zweiten Arbeitsmarkt“enger an den ersten, also die Unternehmen, zu binden, um die Wiedereinstiegschancen zu erhöhen.

Real aber, klagen die freien Träger, findet das nicht statt. Privatfirmen führen kaum AB-Maßnahmen durch. Dennoch verweigern sie ihre Zustimmung und blockieren damit die Bewilligung von dringend benötigten Stellen. In einem internen Diskussionspapier der Freien Träger – Tarifgemeinschaft Hamburger Beschäftigungsträger (THB) – fragt man sich inzwischen verzweifelt, ob ganze Bereiche in Kürze den Bach runtergehen. Manche Innungen würden „generell“ihr Jawort verweigern, was dazu führe, „daß über 1000 ABM-Stellen im gewerblichen Bereich nicht mehr besetzt werden können“.

„Unseren Firmen werden Aufträge entzogen“, begründet Josef Werner vom Verband für Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau seine harte Haltung. „Und das kostet Arbeitsplätze.“2000 Stellen gebe es zum Beispiel in seinem Bereich. Und 450 ABM. „Diese Relation ist nicht angemessen“, schimpft er, „soviel Bedarf besteht gar nicht.“Bisher, so sein Vorwurf, hätten die Beschäftigungsträger doch nicht einmal „den Versuch gemacht“, ABM-Projekte so zu gestalten und auszuschreiben, daß sie auch für Firmen interessant sind.

Für „Erpressung“hält Stümpel dieses Verhalten. Den Innungen gehe es doch nur darum, „ihre Auftragslage“zu verbessern. Letztlich wolle die Wirtschaft an die Gelder ran, die die Freien Träger für ihre Infrastruktur bekommen. Der Dachverband der Innungen, die Handwerkskammer, sei damit auch gar nicht einverstanden.

Man bemühe sich um eine „zügige“Lösung, sagt Claus Kemmet von der Landesvereinigung der Unternehmensverbände. Denn sonst werde es im gewerblichen Bereich „bald keine ABM mehr geben“.

Eine Möglichkeit könnte sein, eine bestimmte Stellenzahl pauschal zu genehmigen und den Rest auszuschreiben. Das jedenfalls schwebt Wolfgang Rose von der Gewerkschaft ÖTV vor, wenn am Montag die Verhandlungen weitergehen. Er befürchtet allerdings, daß nur die „lukrativen“ABM-Bereiche „privatisiert“werden. Die Situation sei für die Träger unerträglich. „Das wird richtig an die Wand gefahren.“

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