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Ein Link mit Hintermännern

■ Multimediale Grauzone im World Wide Web: Eine niederländische Firma bietet online ein Lottospiel an. Das ist in Deutschland zwar streng verboten, aber die zuständige Staatsanwaltschaft hat keinen Computer

Die Dortmunder Firma Knipp hatte Erfolg. Sie gestaltete die Internetseiten des niederländischen Unternehmens „European Enterprise Consultants C.V.“, das mit einer Lotterie im Internet wirbt. Knipp konnte Konkurrenten aus München und Kalifornien ausstechen – solche Meldungen kommen in der gebeutelten Region gut an. Sogar der Newsletter der „Landesmediainitiative“ (eine Initiative des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums) erwähnte lobend den Geschäftsabschluß. Doch nun ist die Freude getrübt. Nicht etwa, weil die Knipps-Webseiten schlecht wären. Im Gegenteil: Per Mausklick erfährt der Surfer, daß European Enterprise Consultants C.V. unter dem Namen Euro-American-Lotto (EAL) das große Los verspricht.

Nur sind die „sechs Richtigen“ allesamt illegal. Auch wenn ein Veranstalter eine Lotterie nur im Internet anbieten will, muß er sich das in Deutschland genehmigen lassen, und zwar bei den Innenministern der Länder. Euro-American-Lotto hat keine Konzession und wird auch nie eine bekommen, denn die Landesinnenminister vergeben keine neuen Lizenzen, weil sie die Konkurrenz der Lotterien befürchten. Die Betreiber der Lottoseite verstoßen damit in jedem Fall gegen deutsches Recht. Aber es kommt noch schlimmer: „Wenn sich herausstellen sollte, daß ,Euro-American-Lotto‘ gar keine Lotterie ist, sondern ein schlichtes Glücksspiel, macht sich auch noch jeder Teilnehmer strafbar“, heißt es dazu aus dem nordrhein-westfälischen Innenministerium.

Rosa Brille im Wirtschaftsministerium

Warum die Kollegen von der „Landesmediainitiative NRW“ ein solches Projekt als gutes Beispiel verkaufen, weiß hier niemand. Der Multimedia-Freak Knipp sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, die technischen Voraussetzungen für eine verbotene Online-Spielhölle installiert zu haben.

Im NRW-Wirtschaftsministerium ist man überrascht. „Davon haben wir nichts gewußt“, läßt Sprecher Rudolf Deckert verlauten. Selbst die Meldung im Infoblättchen media news kenne er nicht. Tatsächlich ist der Newsletter kein Organ des Ministeriums. Er wird von der Unternehmensberatung Kienbaum herausgegeben, die in der Landesmediainitiative federführend ist. „Wir haben uns nichts dabei gedacht“, sagt Redakteur Ulrich Schmitz, „wir recherchieren nach guten Beispielen für die Anwendung neuer Medien, dabei sind wir auf das Euro-American-Lotto gestoßen.“

Von Recherche kann wohl kaum die Rede sein. Schon Elmar Knipp war entgangen, daß der Träger European Enterprise Consultants C.V. im Verdacht steht, eine Betrugsfirma zu sein. Es geht ihr gar nicht in erster Linie um das Spiel mit den Glückskugeln. Vielmehr betreibt die Gesellschaft ihr Geschäft damit, Anleger zu locken, die in Euro-American-Lotto investieren sollen. Die Stiftung Warentest warnt vor der Gesellschaft, und auch der Finanzservice von „Focus-online“ rät: Finger weg! Als Hintermänner werden dieselben Leute vermutet, die 1995 das berüchtigte Euro-Lotto mit Sitz auf Gibraltar betrieben haben. Nur hatte sich das Glücksrad von Euro-Lotto dort nie gedreht. Die Gelder verschwanden auf Nimmerwiedersehen.

Auch auf den Webseiten www.euro-american-lotto.de findet man nach einigem Klicken das Angebot, sich an der Gesellschaft finanziell zu beteiligen. Überhaupt hat Knipp ganze Arbeit geleistet, das Unternehmen blendend zu präsentieren – nur Lotto spielen kann man nicht. Der niederländische Betreiber spricht von einer Testphase. Die sollte im September beendet sein, doch noch immer rollen die Glückskugeln nicht. Statt dessen stellen Verbraucherschützer eine frappierende Ähnlichkeit der Aufmachung und der Logos von Euro-Lotto und Euro- American-Lotto fest.

Noch im Juli 1995 hatte die Bild- Zeitung gejubelt. Euro-Lotto versprach 30 Millionen jede Woche im Jackpot. Der Geldregen blieb aus, es folgte ein Krimi im Schimanski- Stil: Der Dortmunder Rechtsanwalt Siegfried Bartylla, offizieller Vertreter von Euro-Lotto in Deutschland, tötete in einem Amoklauf seine Frau und seine beiden Kinder. Dann nahm er sich nach einer spektakulären Irrfahrt in einem Frankfurter Hotel das Leben. Die Staatsanwaltschaft Münster bezweifelte jedoch die Selbstmordthese und mutmaßte, Bartylla und seine Familie seien von einer internationalen Finanzmafia ermordet worden, weil der Anwalt Gelder des Euro-Lottos in die eigene Tasche gewirtschaftet habe.

Mit von der Euro-Lotto-Partie war auch Volker Scharmann, der auf dem grauen Kapitalmarkt agierte und des öfteren auch unter dem Namen Philip Marlowe, Marc Correll und Doktor Brinkmann auftrat. Für Sachkundige von der Stiftung Warentest ist Scharmann auch der Drahtzieher des Euro-American-Lottos. Fragen kann man Scharmann dazu nicht, denn niemand weiß, wo er sich aufhält. Scharmann war nicht nur an dem Dreh mit Euro-Lotto beteiligt, auch bei Warentermingeschäften und anderen Deals hatte er mit gezinkten Karten gespielt.

Bei European Enterprise Consultants C.V. in Amsterdam leugnet man jede Verbindung zu Scharmann. Als Direktor zeichnet Raimond Bronkhorst, der am Telefon keine Auskunft gibt. Er beantwortet nur schriftliche Fragen und vergißt dabei nicht, mit dem Anwalt zu drohen, falls Behauptungen verbreitet werden, die ihm nicht genehm sind. Das Ganze sei eine Verwechslung, Euro-American-Lotto werde mit Euro-Lotto absichtlich gleichgesetzt, faxt er. „Alle am Projekt EAL beteiligten Firmen und/oder Personen hatten zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Verbindungen oder Beziehungen zu den Betreibern von Euro-Lotto.“

Kein Glück in der heißen Sonne von Nevada

Gesprächsbereiter als Bronkhorst zeigt sich da schon ein gewisser Karl-Heinz Ihl, der sich als Unternehmensberater ausgibt. Er gibt an, als Partner der European Enterprise Consultants C.V. mit dem Unternehmen bestens vertraut zu sein. Ihl schwört Stein und Bein, daß Euro-American-Lotto ein ehrenhaftes Vorhaben und Opfer einer Kampagne sei. Er selbst pflege die besten Beziehungen zu Raimond Bronkhorst und könne ihm nur ein tadelloses Zeugnis ausstellen. Auf die Frage, ob er denn auch den gesuchten Volker Scharmann persönlich kenne, wartet Ihl mit einer Überraschung auf: „Ja – und ich finde es schlimm, daß ihm immer wieder seine Vorstrafen vorgeworfen werden. Volker Scharmann ist ein hochintelligenter Mann mit sehr vielen guten Ideen.“ Auch Bronkhorst, der als Direktor der European Enterprise Consultants C.V. jeden Kontakt leugnet, habe mit Scharmann zu tun gehabt, aber nicht mit Euro- Lotto.

Offensichtliche Unterschiede gibt es schon. So werden die Glückszahlen des Euro-American-Lotto nicht auf Gibraltar gezogen, sondern in Nevada in den USA. Doch wie es der Zufall will, hatte Scharmann 1989 eine weitere Lotto-Gesellschaft gegründet. Unter dem Namen „European Lottery Society“ versprach sie: „Wir machen Millionäre.“ Auch dieser Geldsegen blieb aus, und Scharmann stand wieder einmal vor dem Kadi. Offizieller Sitz seiner Firma: Nevada.

Deutsche Staatsanwälte müssen bei illegalem Glücksspiel wie auch bei Betrug von sich aus handeln. Doch bisher geschieht nichts, obschon für mindestens eines der Delikte ein Anfangsverdacht besteht. „Wir surfen nicht von Amts wegen im Internet“, sagt die Dortmunder Staatsanwältin Barbara Vogelsang. Wie denn auch? Auf ihrem Schreibtisch türmen sich die Pappakten. Der nächste Rechner, der einen Zugang zum Internet hat, steht drei Kilometer entfernt im Polizeipräsidium. Ulrich Schulze

Ulischulze@aol.com

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