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Die Situation erfordert eine Volkserhebung

■ betr.: „Aufgeschoben ist nicht auf gehoben“, „Der Waigel soll den Mund halten“, taz vom 29.1. 98

„Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, gilt nicht nur für den politischen Schlagabtasuch, wie Markus Franz in seinem Kommentar meint, sondern auch für die Bischöfe und ihren angeblich weisen Kompromiß. Dieser wird sich wohl als (vielleicht rk-)kirchentypisches taktisches Kalkül erweisen, das auf die Nachrichtenschwemme und den allgemeinen Diskussionslärm der Nachwahl- und Regierungsbildungszeit im Herbst 98 abzielt, in deren Schall-Schatten ein endgültiger, non-konformer Beschluß ohne Aufsehen gefaßt werden kann.

Waigels Unterstützung der katholischen Kirche, deren Beratungseinrichtungen auch bei Verweigerung der Beratungsscheine mit staatlichen Geldern zu unterstützen, ist an Ungeheuerlichkeit kaum zu überbieten. Stellen die katholischen Beratungsstellen keine Bescheinigungen über die Beratung mehr aus, dann ist diese Beratung nicht mehr ergebnisoffen im Sinne des gesetzlich genau deffinierten Verfahrens. Damit ist meines Erachtens völlig klar, daß die katholischen Beratungsstellen für diese Tätigkeit keine öffentlichen Gelder mehr erhalten dürfen. Waigels Vorstoß ist nicht „bar jeden Sachverstands“ (er weiß sicher, was er damit sagt), sondern zielt eindeutig ab auf den ultrakonservativen Teil der christlich orientierten bzw. sich christlich gebärdenden Wählerschaft.

Die Situation erfordert eine Volkserhebung aus zwei verschiedenen Richtungen: 1. Das Steuerzahlervolk muß – beginnend in kleinen Schritten – auf eine konsequente und echte Trennung von Staat und Kirche in Deutschland hinarbeiten. 2. Das Kirchenvolk muß der kirchlichen Hierarchie klarer als bisher signalisieren „so nicht bzw. nicht mit uns“. Dies geht am wirkungsvollsten durch massiven Austritt aus der Kirchensteuerzwangsgemeinschaft. Das von der kirchlichen Hierarchie verkündete, im Hinblick auf den Glauben völlig haltlose Junktim zwischen Glaubensgemeinschaft und Steuerzahlergemeinschaft darf dabei kein Hindernis sein. Franz Schuhwerk, Regensburg

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