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Großer Tanz mit Herz und Seele

Die Tar Heels aus North Carolina sind das spektakulärste Team, das heute in die Endrunde im US-College-Basketball geht. Das liegt vor allem an Antawn Jamison  ■ Von Jens Plassmann

March Madness – das bedeutet, die Spiele der NBA rücken in den Hintergrund, das Frühjahrstraining der Baseball-Cracks interessiert nur noch die unverbesserlichsten Hardcorefans, und die obligatorischen Meldungen über Skandale und Rekordverträge aus der bunten Welt der NFL erscheinen unter Vermischtes.

March Madness, das ist die närrische Jahreszeit des College-Basketballs, in der die amerikanische Sport-, Uni- und Zockerwelt Richtung Campus blickt – das in aller Regel aber auch nur via Glotze, da Karten für die Finalspiele etwa so leicht zu bekommen sind wie die zum Endspiel der Fußball-WM in Paris.

March Madness erreicht ihren alljährlichen Höhepunkt mit dem Big Dance, der NCAA-Endrunde, die heute beginnt und in der 64 College-Teams im K.o.-System ihren Meister ermitteln. Neben den Mannschaften, die eine Kommission in einer komplizierten Prozedur entsprechend der vermeintlichen Spielstärke bestimmt, qualifizieren sich dreißig Teilnehmer automatisch als Meister ihrer jeweiligen Liga. Darunter sind zwangsläufig sogenannte Cinderella- Teams, die als Champions schwächerer Ligen die Großen in schöner Regelmäßigkeit das Fürchten lehren.

Zu den blamagegefährdeten Favoriten zählen in diesem Jahr die Titelverteidiger der Arizona Wildcats, die in fast unveränderter Besetzung auflaufen und sich bei dramatischen Aufholjagden und Verlängerungsspielen erneut als Thriller-Spezialisten erwiesen. Dazu die Kansas Jayhawks um den eleganten Scorer Paul Pierce und die Duke Blue Devils mit ihrem verläßlichen Punktelieferanten Trajan Langdon, wegen seiner Herkunft und sicheren Hand „The Alaskan Assassin“ genannt.

Last but not least natürlich North Carolina, wo der ewige Assistent Bill Guthridge als neuer Head Coach nahtlos an das anknüpft, was Trainerlegende Dean Smith jahrzehntelang vorgemacht hatte.

Die Tar Heels aus North Carolina verfügen über die stärkste und spektakulärste erste Fünf von allen Teams, zudem in Antawn Jamison über den derzeit besten College- Spieler überhaupt. Der 2,09 Meter große Forward, der jetzt die meisten Stimmen bei der Wahl zum All-America-Team erhielt, ist schnell, treffsicher, ein hervorragender Rebounder und verfügt über eine enorme Sprungkraft, die er frühzeitig entwickeln mußte, weil Vater Albert den Korb daheim versehentlich einige Zentimeter zu hoch montierte. Als erster Tar Heel seit Michael Jordan 1984 wurde Jamison auch zum Spieler des Jahres der Atlantic Coast Conference (ACC) gewählt, und sollte er sich entschließen, auf sein viertes und letztes College- Jahr zu verzichten, dürfte er der begehrteste Spieler im diesjährigen NBA-Draft sein.

Das ist aber noch keineswegs sicher. „Noch ein Jahr, noch ein Jahr“, sangen die Fans letzten Sonntag freudetrunken, als Jamison und Teamkollege Vince Carter, der sich in einer ähnlichen Situation befindet, nach dem Sieg beim ACC-Turnier die Korbnetze heruntersäbelten. Das Finale wurde gegen Duke gewonnen, zuvor hatte North Carolina mit Maryland und N.C. State auch die beiden anderen Teams geschlagen, gegen die es diese Saison Niederlagen gegeben hatte. Überragender Akteur im Endspiel: Antawn Jamison mit 22 Punkten und 18 Rebounds. „Er ist unser Herz und unsere Seele“, sagt Reserve-Center Brendan Haywood. Sollte sich in der NBA ein Arbeitskampf abzeichnen, will Jamison auf jeden Fall sein Seniorenjahr absolvieren, aber auch sonst ist der Wechsel zum Profitum noch nicht entschieden. Nach Ende des Big Dance will er seinen Entschluß bekanntgeben, bis dahin schwärmt er davon, wie schön es wäre, ein College- Diplom zu besitzen.

Neben Jamison und Carter wird die Stammformation des North Carolina Teams von Shammond Williams, Ballverteiler Ed Cota und Ademola Okulaja gebildet. Achillesferse des hochtalentierten Teams ist die vergleichsweise schwach besetzte Auswechselbank, die es nötig macht, meist mit nur sieben Spielern auszukommen.

Dadurch sind die Tar Heels anfällig für allzu hohes Tempo und bekommen bei Partien mit härterer Gangart Probleme, wenn die Spieler mit Fouls belastet sind und die Disqualifikation droht.

Dem ehemaligen Alba-Spieler Okulaja fehlt es zum ganz großen Durchbruch im Land der NBA zwar immer noch ein wenig an Spritzigkeit, Treffsicherheit und One-on-One-Qualitäten, aber bei den Tar Heels ist er als Rebounder, Distanzschütze und geschickter Zuspieler eine feste Größe im Kreis der Unentbehrlichen. Auch von seinem Spiel dürfte es abhängen, ob das Team bis in die prestige- und profitträchtige Final- Four-Runde Ende März im Alamodome von San Antonio vordringen und dort womöglich den letzten Titelerfolg von 1993 wiederholen kann. Damals hatte der heutige Alba-Kapitän Henrik Rödl als sechster Mann zum Meisterschaftsgewinn der Tar Heels gegen Chris Webbers und Juwan Howards Michigan-Team beigetragen.

Einen entsprechenden Ring hätte auch Okulaja gern am Finger, wenn er nächstes oder übernächstes Jahr zum Versilbern seiner Erfolge beim Studium an der hochangesehenen University of North Carolina in die Bundesliga zurückkehrt.

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