Glück, Champagner, Smith & Wesson Von Joachim Frisch

Glück im Pech, Spiel in der Liebe. Selten traf für mich diese Volksweisheit so ins Schwarze wie am letzten Freitag abend um Viertel vor zwölf in der Hamburger Spielbank. Roulettetisch Nummer 3. Die Kugel landete dreimal im Schwarzen: einmal auf der Elf und zweimal auf der Acht. Ich hatte jeweils auf Schwarz und das untere Dutzend gesetzt, mein bescheidener Einsatz von 20 Mark vermehrte sich ratzfatz auf deren 360, mit denen ich anschließend fast eine halbe Stunde beim Black Jack mithalten konnte.

Mein Pech war, daß ich nicht jeweils 21.000 DM (Limit!) auf die Elf und zweimal auf die Acht gesetzt hatte, denn dann hätte ich die Spielbank mit einem Gewinn von 2.268.000 Mark verlassen, begleitet von eifersüchtigen Blicken der Herren und schmachtenden der Damen. Ich hätte den Fahrdienst des Hotels Intercontinental veranlaßt, mich in das 300 Meter entfernte Hotel Vier Jahreszeiten zu chauffieren und den Fahrer mit einem fürstlichen Trinkgeld erfreut. Dort hätte ich mir mittels eines edlen Champagners einen ansehnlichen Rausch verschafft und diesen in einer Suite mit Blick auf die Alster ausgeschlafen, ohne einmal aus dem Fenster zu sehen. Erst am nächsten Abend wäre ich ausgeruht zum Diner nach Paris geflogen.

Sicher könnte ich mein Glück auch im Lotto versuchen, doch das Lottoglück ist ein vulgäres Glück. Entsteht das Spielbankglück inmitten des morbiden Charmes zerfallender großbürgerlicher Souveränität, geleitet von verzweifelten Chefärzten, hysterischen Witwen und ruinierten Pumpenfabrikanten, so wird das Lottoglück am Freitagmittag mit einem faden Quickie zwischen mannshohen Stapeln von Bild-Zeitungen gezeugt, bedrängt von schwitzenden Hundehalterinnen und jovialen Semialkoholikern. Nach einem Lottogewinn nächtigt man nicht im Vier Jahreszeiten, sondern im Puff, Lottomillionen sind im Ballermann 6 auf Mallorca zu verjubeln, bestenfalls in Las Vegas. Auch läßt sich der Lottomillionär nicht chauffieren, sondern er fegt im eilig herbeigeschafften Ferrari wie ein Schumidepp über die Autobahn.

Man liest ja von Lottokönigen, die binnen zwei Jahren weg vom Fenster waren, den Chef beleidigt, den Job geschmissen, die Frau verlassen, von aufgeschwatzten Bauherrenmodellen und Warentermingeschäften in die Scheiße geritten. Mit dem Buckel voller Schulden hausen sie jetzt im Männerwohnheim und bibbern vor den Inkassobeauftragten der Russenmafia. Solche Demütigungen erspart sich der am Roulettetisch ruinierte Spielbankmensch mit der bleiernen Kugel aus der Smith & Wesson mit Perlmuttgriff.

Lottoglück ist dummes Glück. Die durch Niederlegung jeglicher Lohnarbeit gewonnene Zeit wird mangels geistigen Inhalts ranzige Zeit. Von den 2,268 Spielbankmillionen aber habe ich einen beachtlichen Teil für eine gediegene Privatbibliothek vorgesehen, mit allen Werken des Dadaismus und des Situationismus und auch der Herren Mann. Nächsten Freitag werde ich wieder an Roulettetisch Nummer 3 das Glück versuchen, denn ich weiß, daß ich im Grunde ein Glückspilz bin, der nur immer Pech hat. Wer mir 21.000 Mark pumpt, dessen Schaden soll es nicht sein. Es winkt ein Flug ins nächtliche Paris.