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Zu Gast beim alten Fresenius Von Martin Sonneborn

Eigentlich wollten Herr Hintner und ich in die Frankfurter Schankgaststätte Horizont. Als wir aber am Palmengarten vorbeirollten, hielt dort gerade ein Reisebus, dem eine wohlgelaunte Menge gutgekleideter Herrschaften entstieg – der Betriebsausflug einer feinen Firma offensichtlich! –, um sich geschlossen in den Garten zu begeben.

Natürlich ketteten wir unsere Fahrräder sofort an den nächsten Baum, und bevor der Pförtner das Tor schließen konnte, vollzogen wir den Schulterschluß mit einigen Nachzüglern. Da wir nicht wußten, zu was für einer Gruppe genau wir nun gehörten, begannen wir ein intensives Gespräch über Herrn Hintners abgewetztes Jackett und kamen, ohne weiteres Aufsehen zu erregen, an eine herrliche Zeltburg. Der Eingang allerdings – Sie werden es geahnt haben! – wurde von zwei Hostessen bewacht. Strahlend baten sie einen jeden Passanten um seinen Namen und lösten dann mit sicherem Griff ein entsprechendes Namensschild von einer geräumigen Pinnwand in ihrem Rücken; den geladenen Gästen eine Eintrittskarte in die Welt gepflegter Abendunterhaltung, dekadenter Buffets und freien Alkoholausschanks. Allein, bei einem raschen Kontrollblick fanden sich zwar noch einige bemerkenswert einfallslose Namen an der Wand, Herrn Hintners jedoch war genauso akribisch ausgespart worden wie meiner.

Sie können sich vorstellen, daß uns nicht daran lag, diesen lauschigen Sommerabend durch eine möglicherweise peinliche Situation zu entweihen; auf die anstehende Frage zu antworten „Vorhin wußte ich ihn noch!“ oder sich als multiple Persönlichkeit auszugeben, war für uns undenkbar! Also flüsterte ich meinem kurzsichtigen Begleiter das Zauberwort „Dr. Heckel, H-e-c-k-e-l!“ zu und stellte, als die Reihe an mir war, laut und deutlich die Worte „Herr Heusinger“ in den Raum. Und obwohl man zu diesem Namen doch eigentlich einen kleinen dicken Schnauzbart mit Brille erwarten würde, Controlling oder Revisionsabteilung, bekam ich anstandslos mein Namensschild.

Herr Hintner hatte weniger Glück. Gerade noch trompetete es hinter mir feierlich: „Und ich bin der Dr. Heckel!“ Da warf sein Nebenmann überrascht ein: „Oh! Ich auch!“ „Ja, dann ... äh, ich bin ja Dr. T. Heckel“, versuchte Hintner zu klären, „ich geh' schon mal rein!“ Zum Glück begann genau in diesem Moment ein distinguierter Herr, sich über Mikrofon für die wunderbare Arbeit zu bedanken, die wir alle im letzten Jahr für das Institut Fresenius geleistet hätten. Seiner Aufforderung, nun zu speisen, zu trinken und gute Gespräche zu führen, fühlten wir uns dann auch sofort verpflichtet. Nach einigen Bieren ließen wir hier und dort durchblicken, wir persönlich seien „beim alten Fresenius“ in der Nutella-Testabteilung tätig, und beschwerten uns ausgiebig über die Schikanen des Abteilungsleiters.

Um Mitternacht begann Dr. T. Heckel dann zu erklären, daß seine Mineralwasseranalysen „ausschließlich auf einem Prüfschluck“ basierten, und gegen zwei ging ich dazu über, wahllos Leute zu entlassen; die Zeiten sind schließlich nicht einfach. Alles in allem wurde es jedenfalls noch ein sehr gelungener Abend. Und beim nächsten Sommerfest wollen wir dann die Führungsetage der Firma einmal komplett umkrempeln.

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