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Erinnerungen an Zirkus Roncalli

■ Zum Abschluß des Musikfestes spielten an zwei Abenden die Wiener Philharmoniker unter dem Dirigenten John Eliot Gardiner

Nichts ist unmöglich: An der Musik von Johann Strauß hat nicht nur Nikolaus Harnoncourt einen Narren gefressen, als er einst eine vielbeachtete „Fledermaus“ einstudierte, sondern auch John Eliot Gardiner. Strauß' berühmter „Kaiser-Walzer“, der bei uns auch Zirkus-Roncalli-Erinnerungen hervorruft, bildete nun den definitiven Abschluß des diesjährigen Musikfestes.

Und man braucht es nicht extra zu sagen: Mit diesem Dirigenten und dem dafür wohl kompetentesten Orchester der Welt, den berühmten Wiener Philharmonikern, war die Wiedergabe natürlich allererste Sahne.

Die riesige Besetzung klang manchmal durchsichtig und zart wie ein Streichquartett, manchmal mit erschlagender Wucht, beides mit einer Homogenität, die dieses Orchester zu Recht zu einem der berühmtesten der Welt macht. Den unbeschreiblichen Charme der Walzerseligkeit, das rubatogesättigte Hineingleiten in den Rhythmus vermittelte der Engländer Gardiner mit sichtbarer Lust und der Überzeugung, daß es sich bei Strauß' „Kaiser-Walzer“ um wirklich große Musik handelt.

Das fand ja auch schon Arnold Schönberg, als er für seinen „Verein für musikalische Privataufführungen“ Strauß' Meisterwerk bearbeitete.

Doch Strauß' Walzer war nicht das einzige Werk zum Schwelgen an diesen beiden Abenden. Da waren außerdem vier Werke des hierzulande noch weitgehend unbekannten britischen Komponisten Edward Elgar. Es berührt merkwürdig, daß es in England zwischen Henry Purcell und Benjamin Britten keine Komponisten von Weltrang mehr gab. So glichen die Wiedergaben Elgars durch John Eliot Gardiner einer Rehabilitation des 1857 geborenen Komponisten, aber auch einer mahnenden Erinnerung an ihn.

Im Zentrum beider Abende der Wiener Philharmoniker standen Edward Elgars „Enigma“-Variationen, ein mitreißendes spätromantisches Werk, dessen Geheimnis – Enigma – noch immer nicht ganz gelüftet ist: Elgar porträtierte mit jeder Variation einen Zeitgenossen. John Eliot Gardiner verstand es in faszinierender Weise, leise Klangflächen so spannungsgeladen zu zeichnen, als ob es sich um ein gleich explodierendes Meer handelte.

Und die Explosionen waren denn auch unüberhörbar: Wuchtige Aufbauten von geradezu wagnerischer oder puccinihafter Größe gaben sich ein Stelldichein. Dies gilt auch für die bombastische Konzertouvertüre „Im Süden“.

Es war einerseits eine gute Idee, Werke von Elgar mit solchen des gleichaltrigen Richard Strauß zu koppeln. Dessen „Don Juan“ und „Till Eulenspiegel“ zeigen in ihrer genialen Orchestrierungskunst eine vergleichbare Ästhetik, die den Anschluß an das, was dann um die Jahrhundertwende mit dem Zusammenbruch der Tonalität geschah, nicht leisten konnte und wollte. Auch wenn Gardiner und das Orchester das Äußerste leisteten an transparenter Differenzierung, so macht doch so viel geballte Monumentalität auch müde.

Das Konzert war ein bißchen wie Sekt: Zwei Gläser schmecken gerade noch, fünf hingegen nicht mehr. „Wunderbar“, flüsterte die Dame neben mir. Das Konzert war auch ein Abonnementskonzert der Meisterkonzerte von Praeger & Meier. Die alteingesessene Agentur profitiert nun davon, daß ihr neuer Besitzer der Musikfestagent Hermann Pölking-Eiken ist.

Ute Schalz-Laurenze

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