: Zwangspfand droht – in 18 Monaten
■ Umweltminister Trittin verkündet, daß die Mehrwegquote offiziell nicht erreicht wurde. Schonfrist bis Mitte 2000
Nürnberg (taz) – Die gesetzliche Vorgabe für Mehrwegflaschen ist 1997 nicht erreicht worden. Das hat Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) gestern offiziell bestätigt. Die erforderliche Quote von mindestens 72 Prozent wurde mit 71,35 Prozent unterschritten. Damit droht ein Zwangspfand von 50 Pfennig pro Einweg-Literflasche – allerdings frühestens in 18 Monaten, wie gestern das Umweltministerium auf Anfrage bestätigte. Trittin sei dennoch „wild entschlossen“, auf eine Einhaltung der Quoten zu drängen, hieß es.
Das wird ihm durch die Verpackungsverordnung nicht leicht gemacht. Denn erst leitet das Umweltbundesamt eine „Nacherhebung“ über die nächsten 12 Monate ein. Wird die Quote dann nicht erreicht, tritt nach sechs Monaten das Zwangspfand in Kraft. Einem Großteil der 1.269 deutschen Brauereien wäre das Zwangspfand willkommen. Gerade die kleineren Braustätten im Süden Deutschlands (rund 700 in Bayern, 170 in Baden-Württemberg) setzen in ihren regionalen Märkten vollständig auf die bewährte und kostengünstige Pfandflasche. Die Verbraucher jedoch spielen schon seit einiger Zeit nicht mehr mit. Trotz 130 Litern jährlichen Bierkonsums sind die Verbrauchszahlen seit Jahren rückläufig – laut einer Studie der Unternehmensberatung Arthur Andersen um 20 Prozent bis 2010. Die Marketingausgaben sind bis auf 800 Millionen Mark gestiegen. Einem Werbeverbot wäre der Vorstandschef der Dortmunder Brau und Brunnen, Rainer Verstynen, „sehr dankbar, denn dadurch wird nicht weniger Bier getrunken, und wir könnten viele Werbemillionen anderswo investieren.“
Auch große Brauereien sind über die wachsende Vorliebe für Büchsenbier nicht begeistert. Schon heute wird jedes vierte verkaufte Bier in der Halbliter-Blechdose abgesetzt, entscheidend ist oft der Preis. In den ersten vier Monaten des Jahres 1998 steigerten die Billigbiere mit einem Dosenpreis von 60 bis 69 Pfennig ihren Anteil bei den Halbliter-Büchsen auf mehr als 27 Prozent.
Dem Handel dagegen kommt die wachsende Liebe zum Dosenbier ganz gelegen. Während einige Discount-Märkte wie Aldi ohnehin nur noch Einweggebinde anbieten, beklagen sich die anderen Getränkehändler über die höheren Handling-Kosten bei Pfandflaschen. Auf ökologische Aspekte angesprochen, verweisen sie auf die hohe Recyclingquote der Büchse, die mit Hilfe des grünen Punktes erreicht wird.
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