: Bänkelsänger und Generäle
■ Yoram Merose in der neuen Galerie von Cato Jans und in der Weidenallee
Die „Kunstspange“ vom Deichtor zum wachsenden Kunstkubus am Ferdinandstor hat eine neue Perle angesteckt bekommen: in der ehemaligen Markthalle direkt neben dem Kunsthaus des BBK am Klosterwall geht das „Galeriehaus Hamburg“ seiner Fertigstellung entgegen. Mit seiner dominanten „Halle K“ bildet Künstlerenkel Hans Barlach die schon durch das schwergewichtige Stahlentree herausgestellte Mitte des neuen Kunstzentrums, zu dem noch zwei weitere Galeristen gehören: der seit je in der Hamburger Szene verwurzelte Michael Hauptman und der junge Galerist Cato Jans, der seit fünf Jahren mit interessanten Ausstellungen auffiel.
Da von den Kollegen der eine auffällig mehr Geld für endlose Perfektionierungen hat und der andere nach mehrjähriger Pause sich weiter kontemplativ Zeit nimmt, eröffnete am Freitag als erster Cato Jans seinen hohen hellen Raum, der gleichwohl deutlich kleiner ist, als die frühere Galerie in der Winterhuder Humboldtstrasse. „Es wird viel weggelassen werden müssen“ sagt der Galerist, „dafür bietet sich die Chance zur Konzentration auf klar umrissene Werkgruppen.“
Überhaupt wird eine Galerie viel zu oft mit Museumsmaßstäben gemessen, was hier in der direkten Linie zwischen den anderen Kunsthallen besonders falsch wäre. Daß Cato Jans die Zukunft des unbestritten allseits schwieriger gewordenen Galeriegeschäfts in individueller Dienstleistung auch in den Teilsegmenten traditioneller Galeristenarbeit sieht, erkennt man schon aus dem neuen, dreifachen Namen: „Der Raum, Der Verlag, Das Kontor“.
Zum Neustart zeigt er die neuen Pedagogic Tableaux des in Hamburg und Israel arbeitenden und lehrenden RYoram Merose. In den drei Jahren seit dessen letzter Einzelausstellung bei Jans hat sich dessen Malerei mehr und mehr dem Wort als Material zugewandt. Auf farbig oder mit weißer Textur grundierten, paarig kombinierten Holzplatten sind in zeichnerischem Gestus Teilaspekte der Welt dargestellt und in englischer Sprache bezeichnet.
Es sind Bildtafeln, die auf Geschichten eines gerade abwesenden Bänkelsängers, eines mystisch deutenden Künstlers, eines strategisch konfusen Generals oder eines etwas artistischen Sprachlehrers zu warten scheinen. Die Worte in der für Künstler und Publikum zwar verstehbaren, doch fremden Sprache verstärken noch die merkwürdigen Assoziationen und erleichtern in ihrem Witz den ersten Zugang zu dieser etwas anderen, mehrschichtigen Weltsicht.
In seinen Zeichnungen, zeitgleich in der hier mit Cato Jans kooperierenden Kunstagentur von Christoph Grau in der Weidenallee ausgestellt, arbeitet Merose an noch weiterer Reduzierung der Bildinhalte auf eine fast verkehrsschildhafte Vereinfachung. Doch ist den so aufgerufenen Handlungshinweisen schwer nachzukommen. Denn auf den zweiten Blick muß sich der Betrachter eingestehen, daß er das, was ihm da in Bild und Text erst so eindeutig vorkommt, in Wirklichkeit nicht kennt und vielleicht nie begreifen wird.
In seinem neuen Showroom inszeniert Kunstagent Christoph Grau auch eigene kleine Anmerkungen zu den ausgestellten Arbeiten. Er zeigt den Nachdruck des Orbis Pictus von 1658, ein barockes Volksbildungsbuch, dessen Pictogramme in vergleichbarer Weise die Rätsel der großen Welt aufzeigen, auf Papier bannen und in die kleine Box eines aktuellen Verständnisses einsortieren wollen. Und das trifft sich mit den Arbeiten Meroses, dessen Bilder und Zeichnungen etwas eigentlich Unmögliches sind: Pictogramme für das Unbekannte.
Hajo Schiff
Cato Jans DER RAUM, Klosterwall 19/21, Di-Fr 10-13 + 15-18, Sa 11-14 Uhr, bis 28.10.
Agentur für zeitgenössische Kunst, Weidenallee 10b, Do + Fr 17-21 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen