: Der FC Bayern ist zu gut – zumindest für Lautern
■ München ist Champions-League-Favorit Nr. 2. Pro: Vollgas bei Bedarf. Contra: Der Maßstab fehlt
München (taz) – Es ist gut, daß in dieser Spielzeit im Münchner Olympiastadion über der Gegen- tribüne eine mächtige Videowand thront. Nun können die Fußball- freunde in der weitläufigen Beton- schüssel die Spielszenen noch einmal miterleben, die richtig bedeutsam waren. Am Mittwoch zeigte der Bildschirm eine Szene, die lautstarken Jubel hervorrief. Er war auch wirklich schön, dieser Treffer im Europapokal: Mit dem rechten Fuß locker abgezogen – toll gemacht, Gerd Müller.
Das war ein Ausschnitt aus dem Highlight-Film der Halbzeitpause. Was sich zuvor und danach beim 2:0 des FC Bayern München über den 1.FC Kaiserslautern abspielte, dürfte jedoch kein Regisseur für würdig befinden, für nachfolgende Fangenerationen auf Celluloid gebannt zu werden. War das überhaupt ein Viertelfinale der Champions League? Fast hätte man es nicht geglaubt, wenn nicht die beiden Trainer jeden Spielerwechsel auf gelben Zetteln beim Uefa-Beobachter beantragt hätten.
Im Nachhinein muß man sagen: Das internationale Duell der Bundesligisten lebte nur von kurzzeitigen Energieschüben in der ersten Halbzeit. „Man hat gesehen, daß wir nicht zu unserem Spiel gefunden haben“, gab Carsten Jancker zu. Der kantige Stürmer kämpfte wenigstens leidenschaftlich. Sogar noch als Teamchef Erich Ribbeck das Stadion längst verlassen hatte.
Doch bei allem Mäkeln: Es kam auch die derzeit bedeutsamste Tugend des FC Bayern zum Vorschein: Dann Gas zu geben, wenn es darauf ankommt. Dies tat diesmal nach 30 Minuten Not, weil Kaiserslautern unerwartete Gegenwehr leistete. Kurz nach Risches vergebener Großchance (29.) servierte Jancker den Ball seinem Angreiferkollegen Elber: 1:0 (31.). Es folgte unverzüglich ein Konter über Strunz, der Effenberg mit dem Ball versorgte und dem 2:0 beauftragte (35.). Das genügte.
In der zweiten Halbzeit wurde dann doch der Europapokal evident. Leider nur sein leidiger Faktor. Nicht nur bei den Bayern, deren Priorität es bloß noch war, dem Gegner kein Auswärtstor zu gestatten. Sondern sogar bei Kaiserslautern, spätestens als man durch Hany Ramzys gelb-rote Karte in Unterzahl geraten war (71.). Jetzt kann Otto Rehhagel nämlich immer noch sagen: „Wir haben das Ergebnis in Grenzen halten können, so gibt es noch eine leise Hoffnung fürs Rückspiel.“ Ottmar Hitzfeld leugnet nicht, daß sein hochgelobtes Team „den Ball nicht richtig zirkulieren“ ließ. Er ist aber Öffentlichkeitsarbeiter genug, um weitere Kritik nur noch in Form von rhetorischen Fragen zu äußern: „Sind wir nicht mit der richtigen Einstellung aufgetreten oder sind wir mit der Favoritenrolle nicht klargekommen?“ Fürs Weiterkommen dürfte es reichen. In dieser Spielzeit verloren die Bayern noch keine Partie höher als mit einem Tor Unterschied. Seit sechs Spielen fehlt Oliver Kahn ein Gegentor. National kann den Bayern keiner. Ob das international reicht, muß sich zeigen.
Interessant könnten im Rückspiel aber noch einmal die Wortduelle werden. Die Animositäten schlagen inzwischen so hoch, daß sich Hitzfeld, sonst der freundliche Gentleman, in der Pressekonferenz einen kleinen Seitenhieb nicht verkneifen konnte. „Der Otto hat ja vor dem Spiel versucht, uns einzulullen“, sagte er. Der Angesprochene murmelte aufgeregt vor sich hin, doch dann erblickte er zwischen den Journalisten in der letzten Reihe ein vertrautes Gesicht. Dort saß Beate Rehhagel und lächelte, als wollte sie sagen: Nur ruhig, Otto. Und da lächelte Otto auch. Benedikt Voigt
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