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„Forever Young...“ –betr.: „Mit Verlaub, Herr Außenminister, Sie sind ein Schwätzer“, taz vom 4. 3. 99

Wunderbar, wie da einige grün angehauchte Jung-Yuppies im schnoddrigen Ton auf ausgelatschten Pfaden herumtrampeln. Das, was die „Youngsters“ da in ihrem „Thesenpapier“ so produzieren, ist längst schon kalter Kaffee, kann mensch alles schon bei der FDP, sogar schon beim altgedienten Genschman in dessen Anti-Grün-Tiraden lesen. Genscher hatte seinerzeit mit fast haargenau gleichtönenden Phrasen die „technkifeindlichen Grünen“ und die Öko-Bewegung bekämpft. Ist es nicht rührend, wenn die „Young-sters“ den „Atomausstieg“, der ja erst mal auf den St. Nimmerleinstag verschoben wurde, als sekundär hinstellen. [...] Und plappern das Unternehmerlied von den Arbeitsplätzen als solchen und dem Konsum als überhaupt eifrig nach. Jung und progressiv ist es halt, sich ohne Umstände dem Kapital an die Brust zu schmeißen, entschuldigung, wollte sagen „engere Kooperation der Schulen mit Unternehmen“ zu knüpfen. Dritte-Welt-Elend, Klimakatastrophe, Überproduktion, um Gottes willen, vergiß es! Alles alte Klamotten. Systemveränderung? Systemüberwindung? Alte Kamellen. Nein, wo doch die Grünen eine „normale, renommierte Partei“ sind, die „den Auftrag hat, für alle Menschen eines der größten Industrieländer zu regieren“. Jawoll ja, dabeisein ist alles, Posten besetzen, mitklüngeln, mitmachen, so wie die Altparteien, nur die Verpackung der Mumie Industriekapitalismus, die muß up to date sein.

Ehrlich, Ihr Youngsters, sind das nicht abgelutschte Vorstellungen? Kurzum: Auch Ihr seid genauso wie Joschka Fischer Schwätzer. Aber auch ihr werdet mir nicht weißmachen, daß ohne Umkrempelung der vorherrschenden Verhältnisse, ohne sanfte Revolution, ohne Überdenken unseres verschwenderischen Lebensstils, alles prima Klima ist. Richard Pestemer, Neunkirchen

betr.: „Hessens Grüne wollen wieder Spaß haben“, taz vom 5 .3. 99

[...] Wenn Erstwähler vermehrt sich der CDU zuwenden, werden sie gewiß nicht mit leiseren Flugzeugen aus grüner Hand zurückzuholen sein, wie ein Fraktionsvize meint. Doch noch gibt es viel Erst- und JungwählerInnen, die an einem faszinierenden Programm der Grünen für eine Politik der Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit interessiert wären. Die Faszination eines solchen Programms könnte ausgehen von einer konsequenten Ökologie, deren Bausteine, wie Energie-, Verkehrs- und Landwirtschaftswende, verknüpft werden mit der Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze, mit neuen Ausbildungsmöglichkeiten. Die Integration von Ökologie, Ökonomie, Kultur und Sozialwesen in einer Politik der Nachhaltigkeit führt nicht von den grünen Wurzeln weg, hat nichts mit angeblicher Verbotspolitik zu tun, sondern wird die Essenz der Politik im nächsten Jahrhundert sein. Denn die derzeitige Nachrangigkeit ökologischer Fragestellungen in der Gesellschaft insgesamt wird zwangsläufig vorübergehend sein, die Natur wird uns schon wieder ziemlich unsanft darauf stoßen! Jürgen Rochlitz, Ex-MdB, B'90/Grüne

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die auf dieser Seite erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

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