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Wichtig ist es, cool zu bleiben –betr.: „Goldhagens Holocaust-Vergleich“, taz vom 10. 5. 99

Philipp Gesslers launiger Bericht zeigt auf, wie verbohrt man diejenigen darstellt, die, so wie ich es tue, den völkerrechtswidrigen Krieg der Nato kritisieren. Wichtig ist es, cool zu bleiben. Wenn also ein wohlbestallter Lehrer in Harvard ruhig bleibt, heißt das noch lange nicht, daß er in der Diskussion recht hat. Denn dafür, daß ein älterer Überlebender des Holocausts sich über den zynischen Mißbrauch dieses von Deutschen und Österreichern sowie ihren Helfern aus anderen Nationen durchgeführten zum Teil industriellen Massenmordes durch deutsche Politiker aufregt, hat Herr Gessler kein Verständnis.

Nachdem ich Goldhagen anhörte, bezeichnete ich die Bombardierung der Belgrader Fernsehanstalt englisch als „murder“. Gibt es da einen wesentlichen Unterschied, ob ich Mord oder „murder“ sage? Wenn Zivilisten, darunter auch Journalisten, getroffen werden, dann ist das blanker Mord. [...] Ich habe darauf hingewiesen, daß ich in meinen Artikeln über den Bürgerkrieg in Jugoslawien alle Chauvinisten, also auch die serbischen kritisierte.

Doch in der Kriegsberichterstattung der taz gehen solche Details unter. Anstatt mehr über meine Argumente zu berichten, z. B. darüber, daß deutsche und österreichische Behörden noch kurz vor der Bombardierung Kosovo-Albaner zurück in die Bundesrepublik Jugoslawien schickten, weil sie dort nicht gefährdet sind, erzählt Herr Gessler, daß ich mein Jackett auszog und eine Sprudelflasche überschäumte. [...] Karl Pfeifer, Wien

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