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Unterm Strich

Nach dem Urteil des russischen Verfassungsgerichts zur Beutekunst hat der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin, Klaus-Dieter Lehmann, die deutschen Politiker aufgefordert, „jede Gesprächsmöglichkeit“ zu nutzen, ohne dabei Rechtspositionen aufzugeben. In einem Interview mit der Braunschweiger Zeitung äußerte Lehmann zugleich die Erwartung, daß das Urteil keinen Bestand haben werde, da es „eklatant gegen die Haager Konvention und alle Unesco-Regeln verstößt, denen zufolge Kulturgüter nicht zur Kompensation oder Reparation von entstandenem Schaden genutzt werden dürfen“. Der Richterspruch habe ausschließlich innenpolitische Gründe, sagte Lehmann. „Vielleicht wird das Gesetz schon nach den Präsidentschaftswahlen in einem halben Jahr kassiert.“

Auch Kulturstaatsminister Michael Naumann (SPD) hat bekräftigt, daß er mit dem Urteil „das letzte Wort“ über die nach Ende des Zweiten Weltkriegs verschleppten deutschen Kulturgüter noch nicht für gesprochen hält. Angesichts der unendlich großen Zerstörungen während des Krieges in Rußland sei die russische Haltung „von der Sache her nicht ganz unverständlich“, sagte Naumann am Mittwoch im Deutschlandfunk. Rechtlich aber sei dies „nicht hinnehmbar“. Wie beim EU-Sprachenstreit setzt Naumann offenbar auf die Macht des Geldes: So dürfe man nicht übersehen, daß die Bundesrepublik in den letzten zehn Jahren über 100 Milliarden Mark an Krediten an die Nachfolgestaaten der Sowjetunion und vor allem an Rußland gegeben habe. Dieses sollte „auch auf praktischer Ebene jenseits einer juristischen Betrachtung dieser ganzen Angelegenheit berücksichtigt werden“, sagte Naumann.

Auf der Achse Deutschland – Italien dagegen geht noch was: Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz gibt jetzt drei römische Marmorskulpturen aus dem zweiten Jahrhundert nach Christi Geburt an die Republik Italien zurück. Die Marmorfiguren waren in den Jahren 1940/41 unter nicht näher geklärten Umständen aus Italien nach Deutschland gelangt und werden derzeit in der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin bewahrt, wie ein Sprecher der Stiftung gestern mitteilte. Vermutlich waren die Figuren für das von Hitler geplante Museum in Linz beziehungsweise für Görings Villa Carinhall bestimmt.

Die Marmorskulpturen sollen heute nachmittag um 15 Uhr im Athena-Saal vom Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Klaus-Dieter Lehmann, an den Präsidenten der italienischen Kommission für die Wiedererlangung von Kunstwerken, Mario Bondioli-Osio, übergeben werden. Bondioli-Osio hat im diesem Zusammenhang bereits von einem „sehr bedeutenden Tag in den italienisch-deutschen Beziehungen“ gesprochen.

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