piwik no script img

Gartentraktoren und Schalke 04    ■ Von Joachim Schulz

Interessiert es Sie, „wie viele Maschinenfüllungen“ ich „pro Woche“ wasche? Welche „Marken für dekorative Kosmetik“ ich „in den letzten 6 Monaten verwendet“ habe? Oder ob jemand in meinem „Haushalt Fan folgender Fußball-Bundesliga-Vereine ist: Bayern München – Borussia Dortmund – Schalke 04“?

„Nicht die Bohne!“ brummen Sie. Doch Sie sind ja auch nicht die Lifestyle AG in 71254 Ditzingen. Und die Lifestyle AG ist ganz versessen auf solche Informationen. „Wir möchten Sie persönlich einladen“, so hebt das Schreiben an, das eines Morgens in meinem Postkasten steckt, „an unserer umfassenden Verbraucherbefragung teilzunehmen“.

„Sehr freundlich“, denke ich daraufhin, „aber ...“ So einfach allerdings will mich die Lifestyle AG nicht von der Angel lassen, und deshalb belehrt sie mich umgehend darüber, dass nur extrem verantwortungslose Gesellen eine solche Einladung ausschlagen würden, denn: „Wie Sie sehen, ist dieser Fragebogen an Sie persönlich adressiert, da Sie als Verbraucher in Ihrer Region ausgewählt wurden“, und daraus ist blitzlogisch zu folgern, dass „Ihre Teilnahme... für die Durchführung des Projektes von entscheidender Bedeutung“ ist. Zudem darf jeder „Teilnehmer der Befragung“ sich darauf freuen, „von Zeit zu Zeit Informationen, Warenmuster und Gutscheine“ zugeschickt zu bekommen.

Die Lifestyle AG kann natürlich nicht wissen, dass ich nichts lieber bin als ganz extrem verantwortungslos und deshalb natürlich die 133 Fragen erst recht nicht beantworte, durch welche man zu erfahren begehrt, ob jemand in meinem Haushalt „Med. Kompressionsstrümpfe“ trägt, ich innerhalb des nächsten Jahres neue Türen in meine Wohnung einzubauen gedenke oder (was immer das sein mag) „Lenor-Trocknertücher“ verwende. Was, frage ich mich stattdessen, wird wohl den Bedauernswerten passieren, die freimütig bekennen, dass sie im Jahr 2000 ihr Dach zu decken planen oder an der „kostenlosen Vorführung“ eines „Gartentraktors“ interessiert sind? Werden Sie sich jeden Morgen an Dutzenden von Dachdeckermeistern vorbeidrängeln müssen, die draußen vor dem Haus eine kleine Zeltstadt errichtet haben und jedesmal, wenn sich die Türe öffnet, mit Kostenvoranschlägen zu wedeln beginnen? Und werden sie – weil alle ortsansässigen Rasenmäherhändler über Wochen hinaus mit knatternden Getümen durch ihren Garten sausen – letztendlich nur noch in der Selbstentleibung Erlösung sehen können? Die Armen!

Nichtsdestoweniger hätte ich den Erhebungsbogen um ein Haar trotzdem zurückgesandt. Die Antwortmöglichkeiten zum Thema „Urlaubsplanung“ nämlich lassen ganz treffliche Kombinationen zu, und gerne hätte ich kundgetan, dass ich im kommenden Jahr zum Zwecke eines „Musicalbesuchs“ mit dem „Fahrrad“ nach „Australien/Neuseel.“ zu strampeln gedenke. Am Ende aber beschlich mich die Befürchtung, dass unter Umständen auch die Institutionen des Gesundheitswesens zu den Kunden der Lifestyle AG gehören könnten. Und weil ich es nicht reizvoll finde, den Rest meiner Tage in der geschlossenen Abteilung einer Nervenklinik zuzubringen, habe ich mir diesen riskanten Jokus dann doch lieber verkniffen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen