: Verabredung mit Agassi geplatzt
■ Der Tennisspieler Nicolas Kiefer verliert im Viertelfinale der Australian Open gegen den Schweden Magnus Norman, festigt aber seine Stellung als deutsche Nummer eins
Berlin (taz) – Auf einmal blickte der sonst so gelassene Bob Brett auf der Tribüne der Rod Laver Arena überaus unruhig drein. Gerade hatte der von ihm trainierte Nicolas Kiefer im Tiebreak des 4. Satzes nach langem Ballwechsel einen der wichtigsten Punkte des Matches verloren und der Schwede Magnus Norman war mit 5:4 in Führung gegangen. Die böse Ahnung trog den australischen Coach nicht. Wenige Sekunden später gab Kiefer per Doppelfehler auch den Matchball ab, Norman hatte das gestrige Viertelfinale der Australian Open mit 3:6, 6:3, 6:1, 7:6 (7:4) gewonnen und darf nun gegen den russischen Titelverteidiger Jewgeni Kafelnikow um den Einzug ins Finale spielen.
Dabei hatte sich doch eigentlich Kiefer mit Andre Agassi zum Endspiel am Sonntag verabredet. Zeichen eines weiter gewachsenen Selbstbewusstseins des ohnehin nicht gerade für Bescheidenheit berühmten 22-Jährigen. Zeichen auch der gesteigerten Wertschätzung bei den berühmten Kollegen. Die reden jetzt mit ihm, wie Kiefer in Melbourne gern kolportierte, und haben ihn im Kreis jener Akteure akzeptiert, die sich im Laufe eines Tennisjahres häufig ganz am Ende eines Turnieres treffen. Pete Sampras, heute Agassis Halbfinalgegner, hatte schon während der ATP-WM in Hannover gesagt, dass man den Deutschen wohl noch öfter bei diesem Turnier der Besten zum Saisonabschluss erblicken werde, Agassi will angeblich sogar mit ihm Doppel spielen. Sagt Kiefer.
Der Stolz über die erreichte Position steht ihm ins Gesicht geschrieben, wenn er über seine Ziele für das Jahr 2000 spricht. Der Sieg bei einem Grand-Slam-Turnier soll herausspringen, und da es in Australien nun nicht mehr klappen kann, warum nicht Wimbledon? Dort stoppte ihn 1999 ein gewisser Boris Becker in der zweiten Runde, eine der Episoden aus dem vergangenen Erfolgsjahr, an die Nicolas Kiefer weniger gern erinnert wird. Nach wie vor will die deutsche Nummer eins auch zu den Olympischen Spielen, und nach seinem Auftritt in Melbourne ist er diesem Ziel ein gehöriges Stück näher gekommen. Der Deutsche Tennis Bund (DTB) jedenfalls würde sich vollends globaler Lächerlichkeit preisgeben, würde er den Viertelfinalisten der Australian Open wegen dessen Daviscup-Abstinenz tatsächlich nicht für Sydney nominieren.
Trotz des gestrigen Ausscheidens kann Kiefer mit seinem Abschneiden in Australien zufrieden sein. „Ich bin enttäuscht, dass ich verloren habe“, sagte er, „aber glücklich, wie alles läuft.“ Gegen den starken Schweden habe er vor allem bei seinen Breakbällen im zweiten Satz „ein wenig zu passiv“ gespielt, ein bisschen habe auch das Glück gefehlt. Aber, ist Kiefer sicher: „Früher oder später kommt der Durchbruch.“ Matti
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