piwik no script img

Flow of Memory

■ Der Frankfurter Tänzer Anthony Rizzi im Interview

Der Tänzer und Choreograph Antony Rizzi zeigte am Wochenende zusammen mit dem DJ Andreas Baumecker im Rahmen der Previews des Schauspielhauses im Neuen Cinema am Steindamm sein kurzes Stück Coming Up Man Sized. Rizzi arbeitet nicht nur seit 15 Jahren im Ballett von William Forsythe, er ist auch so etwas wie dessen rechte Hand, wenn er, etwa in Mailand oder Tokio, anderen Balletttruppen die Stücke des Frankfurter Regisseurs beibringt.

taz hamburg: Wie kommt es, dass du im Rahmen der Previews hier dein Stück zeigst?

Antony Rizzi: Tom Stromberg, der neue Intendant der Schauspielhauses, war ja lange Direktor des TAT (Theater am Turm) in Frankfurt. Auf diese Weise konnte er immer meine Arbeit verfolgen, und es hat ihm offenbar gefallen. Ich choreographiere Stücke, seit ich 22 bin. Ich hoffe, nächstes Jahr auch mein neues Stück Snowman Sinking nach Hamburg bringen zu können.

Um was geht es dir bei deiner Performance?

Diesmal ist es ein sehr einfaches kleines Stück, das sich immer ändert, wenn wir es neu aufführen. Es beginnt mit alten Homemovies aus meiner Kindheit. Ich bin zur Zeit obsessiv, was Erinnerungen angeht, sowohl auf der Bühne als auch bei meinen Fotos. Es geht um eine Art Erinnerung meines Körpers im Raum und der Versuch, das zum einen mit der Erinnerung an meine Kindheit in Verbindung zu bringen und zum anderen mit Alltagsdingen.

Das klingt ja mehr nach Pina Bausch als nach William Forsythe. Wie sehr ist deine Arbeit von Forsythe beeinflusst?

Nun, bevor ich ihn kennen lernte, beschränkte sich meine Vorstellung von Tanz auf das, was ich auf der Ballettschule gelernt hatte, also Schwanensee und ähnliches Zeug. Entsprechend hat sich meine Idee einer Kombination von Theater und Tanz über die Jahre stark verändert. Eine Sache, die ich von Billy gelernt habe ist: Du kannst alles machen. Du musst dich nicht an Regeln halten. Aber du hast recht, um ehrlich zu sein, hat mich, als ich um die 20 war, die Arbeit von Pina Bausch mehr als alles andere beeinflusst.

Du hast ja dein Stück hier zusammen mit dem Techno- und House-DJ Andreas Baumecker aus Frankfurt gemacht. Welchen Stellenwert hat für dich diese Musik? Versucht du mit deinen Sachen jüngere Leute ins Ballett zu bekommen?

Das steht nicht so sehr im Vordergrund. Okay, ich benutze neuere Musik, die zum Alltag meiner Generation gehört, und wenn das ein jüngeres Publikum anspricht – gut. Wichtiger bei der Kooperation mit Andreas Baumecker ist, dass er ähnliche Erfahrungen hat, die er allerdings aus einer musikalischen Perspektive angeht, während mich mehr das Visuelle interessiert. Ich wollte außerdem die Herausforderung für mein Stück, nicht in jeder Situation zu wissen, wie die Musik sein würde, ich improvisiere da also auch viel. Die Atmosphäre der Musik ist mir deshalb wichtiger als die Beats es sind. Es ist wie ein Spielplatz, ich glaube, ich schaffe Spielplätze für mich. Bei aller Improvisation gibt es natürlich trotzdem eine Struktur für das Stück, einen narrativen Hintergrund. In diesem Fall ist es das Aufwachsen eines Jungen in kurzen Sprüngen.

Du machst ja auch in deinen Fotos Alltag zum Gegenstand, hauptsächlich hast du deine Freunde fotografiert.

Ich arbeite ja schon lange mit Polaroids, im Moment auch mit Videos und Polaroids von Videos. Vor zwei Jahren habe ich in meiner Wohnung eine Ausstellung gemacht, meine Mitbewohner sind für zwei Wochen ausgezogen, und wir haben Wohnung zu einem Ausstellungsraum erklärt. Ich musste keinen teuren Raum anmieten und die Collagen wurden in Räumen ausgestellt, wo sie zum Teil entstanden waren. Der Frankfurter Kunstverein unterstützte diese Ausstellung mit Einladungen, die sie verschickten. Ich hatte einfach keine Lust mehr zu warten, bis jemand die Sachen ausstellen wollte, also habe ich es in meine eigenen Hände genommen.

Interview: Vesna Andric

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen