piwik no script img

Arbeiten in der Dunkelheit

■ Der Künstler Edgar Lissel hat's warm. In einem dunklen Kabuff im Focke-Museum bringt er mit einer Camera obscura die Außenwelt zu Papier. Man kann ihm zusehen

Edgar Lissel ist Kunstfotograf – hat aber keine normale Kamera. Er baut sich seine Kamera einfach selbst: schwarze Tücher, ein Holzgestell, Klebeband, Fotopapier und eine Glasvitrine – mehr braucht er zum Fotografieren nicht. Mit einfachen Mitteln – wie einst Man Ray am Anfang des letzten Jahrhunderts – fotografiert der junge Künstler. Jedoch geht Edgar Lissel ein bisschen weiter, er arbeitet bei seinem neuen Projekt „Räume in Glas“ vor allem mit Landschaft, Ausstellungsobjekten und -vitrinen. Dazu verhüllt er jeweils eine Vitrinen samt Inhalt mit schwarzen Tüchern. Zurzeit geht er im Bremer Focke-Museum um.

Durch ein kleines Loch auf der Fensterseite der Vitrine fällt Licht auf das Fotopapier. Ein zirka ein Quadratmeter großer Fotobogen ist auf der gegenüber liegenden Seite angebracht und zeigt dann das projizierte Bild der Außenwelt. Gebrochen wird das Licht an den jeweiligen Kunstobjekten, wodurch ein weißer schattenartiger Umriss auf dem Bild entsteht.

„Die Vitrine wird somit zur Kamera, die Ausstellungsobjekte bekommen eine aktive Funktion“, erklärt Edgar Lissel. Sie werden am Ort ihrer Aufbewahrung fotografiert und mit der Umwelt verknüpft. Allerdings steht die Außenwelt – hier der Garten des Focke-Museums – auf dem Bild Kopf, dies kommt durch die Technik der Lochkamera zustande.

Für BesucherInnen ist die Kamera begehbar. Durch einen schwarzen Vorhang können Neugierige in einen engen dunklen Raum gelangen. Mit etwas Geduld erkennt man auf der Rückseite des Fotopapiers die Umrisse des entstehenden Bildes. Ein bisschen warm wird es in dem kleinen Raum allerdings schon, den Lissel selbst mit einigen Brettern zurechtgezimmert hat, um das Fotopapier an der Vitrine zu befestigen. Dass BesucherInnen dadurch die Entstehung eines Bildes mitverfolgen können, ist ein positiver Zusatzeffekt. Der Künstler wird bis Sonntag auch im Museum sein und Fragen gerne beantworten.

Lissels Fotopapier ist extrem lichtunempfindlich und benötigt deswegen eine Belichtungsphase bis zu drei Stunden. Sobald ein Bild fertig ist – das dauert mit Entwicklung ungefähr zweieinhalb Tage – wird es auf einer Staffelei im Focke-Museum zu sehen sein. Die erste Fotografie war bereits heute zu bewundern. Obwohl ein Teil seiner bisherigen Aufnahmen, aus Hamburg, Hannover und Berlin in Farbe produziert wurden, werden die Bremer Werke ausschließlich schwarz-weiß sein – in Bremen fand sich kein Fotostudio, das dieses große Format hätte entwickeln können. Bremen ist die vorletzte Station der Tour: Als Nächstes wird der Künstler in Köln mit Hilfe der Camera obscura, wie die Lochkamera auch heißt, die Außenwelt zusammen mit Abbilungen der Vitrinenstücke fotografieren.

Alle Bilder des Projektes „Räume aus Glas“ werden erstmals gemeinsam in Bergisch-Gladbach ausgestellt. Anschließend werden sie durch ganz Deutschland geschickt. Ob sie dann auch nach Bremen kommen, sei noch unklar – erklärt Silke Crux vom Focke-Museum. chs

Bis zum 27. August ist Lissels Aktion im Focke-Museum zu bestaunen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen