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das rühreiproblem von spa-francorchamps von JÜRGEN ROTH

„Kies uw reisweg aan hand van de kleur van uw ticket“, empfahl bzw. befahl das Faltblatt, das wir zusammen mit den S-klassischen Bronze-Tickets für den „Foster’s Belgian Grand Prix 2000“ übersandt bekommen hatten. Wir erkoren die bewährte Variante via Gerolstein, ließen das „Sprudelfest“ links liegen und sammelten uns mental und pigmental unter gelben Sonnenschirmen der Prümer Zentralterrasse. Ideologiekritiker Krautauch ignorierte die vereinbarte Gemächlichkeitsdoktrin. „Das kann ich mal leiden“, beschimpfte er ein stark bierinteressiertes Fluginsekt, drosch auf es ein, dekapitierte es und jaulte ihm den Bannfluch der „neuen Antiwespenstrategie“ hinterher: „Geh’ doch weg, du Sau, du!“ Ich missbilligte das und forderte die kantianisch abgeklärte Fortsetzung unserer Kaffeefahrt in die belgische Regression. „Kaffeefahrt!“, bemerkte gemütskühl Krautauch, „aus deinem Munde! Du willst ja nur Bier trinken.“

Schien die Anreise zufriedenstellend alkoholisiert, so der zweite Pre-Race-Day erst recht. Bereits am Donnerstagmorgen „kregte“ (Jack London) ich heftig. Krautauch probierte es mit der Bestellung von Rührei. Kein Omelett, nein, Rührei hätte er gern, instruierte der immer engagiertere Gegner des Rennsportwahns den Garçon des brauchbarsten Cafés nahe der Zeltwiesen Spas, Rührei, weich, pas Omelett, und Krautauchs Zeigefinger schwirrte mahnend durch die Luft. Der lernbegierige Mann verschwand und brachte ei- ne Schüssel kaltes Eigelb. „Non“, kapitulierte Krautauch zermürbt, dann eben Omelett.

Weniger Rührei-, eher ernsthafte Verehrungsprobleme umtrieben die jungen Autogrammjäger, die am Mini-Airport Spa/La Saveniere den Zwerg Johnny Herbert und den zu groß gewachsenen und zu schlecht gekleideten Wurzelösi A. Wurz abfingen. Beide „Giganten“, konnte man von der Biergartenplattform aus erkennen, streuten Einzeichensignaturen über die Seiten praller Leitzordner und brausten wortlos fort. Das F-1-Life des Publicos ist eines der härtesten.

Kaum besser erging es der Boygroup Wegberg und der Bonn/Frankfurter Fraktion drei weitere Tage lang. Kulinarist Krautauchs Zorrozorn auf die „asozialen Krakeeler“ wuchs, die andern genossen resp. begossen ab „Freitag“, so genannt der „Freien Trainings“ wegen, ein High-Tech-Weekend, während dessen Verlauf Ferrari, das Cavallo krawallo, stets besoffener um den Ardennenkurs schlingerte. „Das Auto war perfekt“, simpelte Mercedes-Sieger Häkkinen, der mich samstags, eine „S-Klasse“ steuernd, beinahe totgefahren hätte, nach seinem „grandiosen Überholmanöver“ (SZ) in M. Schumachers „Wohnzimmer“, und ich schmähte die Crew des gestürzten „Regengotts“ an der Boxenmauer wie nicht mal F. J. Strauß einst die Journalisten.

„Lass halt deine Mütze in Frieden“, beruhigten mich Michaela und Bruder Thomas, als ich das widerliche Stück neuerlich auf den Asphalt prügelte, bespuckte und mit den letzten Leibeskräften zu zertreten versuchte. „Na gut“, bewies ich Contenance, „aber morgen mache ich Rührei aus der Sau!“

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