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Ein Kreuzzug der Liebe ins Heilige Land

Die Berliner Love Parade wird exportiert: Am 19. Oktober erwartet „DJ Motte“ auf der Strandpromenade in Tel Aviv 500.000 Raver

TEL AVIV taz ■ Vom 18. Stock des Moriah-Sheraton-Hotels in Tel Aviv blickt man genau auf die Strandpromenade – jene Promenade, die am 19. Oktober in eine gigantische Partystrecke für „Liebe, Frieden und Glück“ verwandelt werden soll. Denn die Love Parade zieht ins Heilige Land. Wo sonst allein der Straßenverkehr Tel Aviv ins Chaos stürzt, wird neun Stunden lang der Verkehr gesperrt, wenn Tausende Raver und Partyfans in die Freizeitmeile am Mittelmeerstrand einfallen. Das ist genau das, was der Nahe Osten händeringend braucht, darin sind sich die Berliner Initiatoren und ihre israelischen Partner völlig einig: ein säkulares, alternatives Fest mit Musik als Kommunikationsmittel für junge Leute aus Israel und aus der ganzen Welt.

Der harte Kern der Love Parade International aus Berlin – „Dr. Motte“ und sein Mitgesellschafter William Röttger von der Plattenfirma Low Spirit – sind bereits im Heiligen Land eingetroffen, um das Ereignis mit dem israelischen Veranstalter Ilan Ron-El , der Stadtverwaltung Tel Aviv, örtlichen Musikfirmen und Sponsoren einen Monat lang vorzubereiten.

„Die Love Parade ist entstanden aus der Erkenntnis, dass die Menschen weitgehend nur noch unpersönlich per Telefon, Fax und E-Mail kommunizieren und dass Musik ein besseres, direkteres, humaneres Kommunikationsmittel ist“, erklärte Dr. Motte auf einer Pressekonferenz im Sheraton-Hotel. Die Love Parade sei „nur nebenbei“ ein Geschäft, viel eher jedoch ein Mittel im Prozess der internationalen kulturellen Verständigung.

Schon 1998 und 1999 waren Love Parades, wenn auch in bescheidenerem Rahmen, in Tel Aviv getestet worden: Die 4-stündigen Umzüge auf der Dizengoff-Bummelmeile hatten jeweils rund 80.000 Techno-Fans auf den Plan gerufen – nicht schlecht in einem Staat mit nur 6 Millionen Einwohnern. Die „Love Parade 2000“ indes soll das in den Schatten stellen. Schätzungsweise 500.000 Techno-Fans aus Israel und der ganzen Welt wollen die Veranstalter diesmal begrüßen. „Im toleranten Tel Aviv lieben auch Senioren den Anblick von tanzenden jungen Leuten. Wir bringen alle unsere Eltern mit!“, versichern die israelischen Organisatoren.

Die Liebesparty soll erstmals vom frühen Nachmittag bis in die Nacht hinein dauern und am Strand ihren ekstatischen Höhepunkt finden. Mehr als 100 DJs aus Israel und dem Ausland haben zugesagt. „Da geht ein Traum in Erfüllung“, schwärmt Ilan Ron-El, „von allen, die in der Kultur der Clubs und der Cafés rund um die elektronische Musik zu Haus sind.“

Seit geraumer Zeit schon entwickelt sich Tel Aviv zu einem Mekka internationaler Techno-Fans. Die Clubszene der verrückten, tanzfreudigen, alternativen Mittelmeerstadt steht in seltsamem Gegensatz zum Image des politisch wirren, von Terror bedrohten Staates Israel, der keinen Frieden mit seinen palästinensischen Nachbarn findet. Gerüchten zufolge hat Techno bereits eine kleine palästinensische Fangemeinde in der Westuferstadt Ramallah. „Natürlich sind uns auch palästinensische DJ-Freunde in Tel Aviv willkommen“, so Shabi Misrachi von der Tel Aviver Veranstaltungsabteilung. „Als Kulturzentrum Israel freuen wir uns über diese Gelegenheit.“ Das helfe der Stadt und dem Tourismus. Um die Sicherheit kümmern sich 1.000 Polizisten, 3.000 Ordner, zudem werden Hubschrauber und der Küstenschutz der Armee eingesetzt. Mit störenden Regenfällen ist Mitte Oktober im Nahen Osten kaum zu rechnen. ANNE PONGER

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