Unterm Strich:
Als im Mai dieses Jahres der offizielle fünfhundertste „Geburtstag“ Brasiliens begangen wurde, feierte man auch in Berlin den Anlass mit einer großen Party in der Volksbühne. Der Auftritt von Baden Powell, im obligatorischen weißen Anzug, bildete dabei den Höhepunkt des Abends: Mit seinem stilvoll strengen Gitarrenspiel gelang es ihm, das Publikum im rappelvollen Saal über zwei Stunden lang in ehrfürchtig konzentrierter Starre verharren zu lassen.
In den letzten Jahren war Baden Powell auf deutschen Bühnen wieder häufiger zu hören gewesen. Überhaupt hatte er hier, in Europa, nach dem Abflauen der Bossa-Nova-Welle in Brasilien immer weit mehr Erfolg gehabt als in seiner Heimat. Die Wiederentdeckung alter Bossa-Klassiker durch junge Dancefloor-DJs und Brasil-Enthusiasten rückte auch den alten Herrn mit dem seltsamen Namen wieder zurück ins Rampenlicht: Baden Powells Vater soll ein Bewunderer des Pfadfinderführers Baden Powell gewesen sein, weswegen er auch seinen Sohn nach ihm benannte, der 1937 in einem Dorf im Süden der Provinz Rio zur Welt kam. Neben Größen wie Antonio Carlos Jobim und Joao Gilberto gehörte Baden Powell zu den Begründern des Bossa Novas, jener von afrobrasilianischer Rhythmik geprägten, akustisch unterkühlten Variante des Samba. Anfang der 60er hatte er den Dichter Vinicius de Moraes kennen gelernt, dessen Texte er zu vertonen begann. Beide zusammen arbeiteten das Bühnenstück „Orfeo Negro“ aus, dessen spätere Verfilmung die musikalische Bewegung des Bossa Nova weltweit ins Rollen brachte – gerade bei Jazzmusikern in den USA stießen die tropisch-spröden Gitarrenklänge aus dem Süden damals auf große Anteilnahme.
Ende der Siebziger klinkte sich Baden Powell zunehmend aus dem Musikgeschehen aus – Alkoholexzesse und persönliche Probleme sollen der Grund dafür gewesen sein. Anfang der 70er war Baden Powell nach einer Europa-Tournee zunächst nach Frankreich umgezogen, wo er sich vor allem der Komposition von Filmmusiken widmete, später, in den 80ern, lebte er fünf Jahre lang in Baden-Baden. Am Dienstag erlag der Musiker in einem Krankenhaus in Rio einer Lungenentzündung. Bereits Wochen zuvor war der Gitarrist, der zeitlebens an Diabetes litt, deswegen in die Klinik eingeliefert worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen