die stimme der kritik: Betr.: Zukunftslogistik bei uns am Eck
Und Manni kondensiert ein Tränchen
Ich habe ihn Manni genannt. Weil er ja fürs Money zuständig ist, der neue, erste Postbank-Geldautomat bei uns am Eck. Die Postbank ist „die Bank fürs Wesentliche“. Manni soll uns Bares geben.
Es begann am Montagmorgen: Ich wollte nur 400 Mark. Montag war bekanntlichP-Day: Unsere gute Deutsche Post, Mannis Eltern also, war an die Börse geeilt. Logistik! Welt-Zukunftsbranche! Gelbe Bullen kraftstrotzend. Und sie halten sich ja, großbankengestützt, wacker wie ein Wackerstein.
Ebenso beachtlich: Am gleichen glorreichen Morgen hatte, nach acht quälend langen Wochen Umbau, unsere Postfiliale wieder geöffnet. Mit dem neuen Manni und ohne „die Vorkriegspulte mit Tintenfässern“ (Postsprecher). Statt beamtischer Prototypen sechs herumwieselnde junge Damen, alle mit gelben Tüchlein neckisch corporatedesignt. Alles hell und freundlich, mit Eine-Mark-Marken, schicker Papeterie-Produkt-Palette und viel Service: „Schöne Marken? . . . Quittung? . . . Mit Tütchen? . . .“
Und mit Manni. Vor dem Eingang leuchtete er glückstrunken: Hier bin ich. Bald dürft ihr an mein Innerstes. Mich hemmungslos melken. Mit Entgelt und ohne. Zum Postaktienzeichnen oder was immer ihr wollt. Montag früh, am Börsen- und seinem Ersttag, aber meldet der arme Kerl bekümmert, er sei „zurzeit außer Betrieb“. Ausgerechnet!
Warum? Bange Nachfrage in der Schalterzentrale: Ist er ernstlich krank? Oh, nein, leider, hmm, aber am Mittag werde er bestimmt laufen. Kein Problem. Das Gleiche einen Tag später: Heute Nachmittag ganz bestimmt. Aber Sie können auch hier. Betrag bitte bestätigen. Bitte. Danke.
Indes, es blieb dabei: „Außer Betrieb“. Zurzeit? Manni Kaputt darf die Segnungen der Betriebsamkeit nicht erleben. Keine Musterkarte von „Petra Pfiffig“ darf ihn füttern. Einsam ist er. Jetzt hat er schon etwas Kondenswasser im Eck, wie eine heimliche Träne.
Moderne Geldscheinlogistik bei der globalen Deutschen Post World Net AG. Manni habe „Leitungsprobleme“, sagt eine Gelbdame jetzt. Wie kann man helfen? In unserer neuen Filiale haben sie auch eine Broschüre „Umzugsratgeber“. Aber da steht nichts über Geldautomatenproblemmanagement. Nein, der arme Manni hat den Sprung in die Zukunft nicht geschafft. Die Gelbdame versucht zu trösten: „Ich glaube, dem Automaten ist der Börsengang egal.“ Eine kühne Behauptung. Und so herzlos. BERND MÜLLENDER
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen