piwik no script img

Street Fighting CDU

Zahlreiche Hamburger ChristdemokratInnen werden mit ihrer Vergangenheit konfrontiert  ■ Von Peter Ahrens

Nach führenden Grünen-Politikern werden jetzt auch zahlreiche Repräsentanten der Hamburger CDU von ihrer Vergangenheit eingeholt. Auch prominente Leute wie Fraktionschef Ole von Beust, der Harburger Bundestagsabgeordnete Volker Rühe und Parteichef Dirk Fischer sehen sich mit Vorwürfen konfrontiert. Nach Jahren kommt nach taz-Recherchen nun die Wahrheit ans Tageslicht.

So soll Fischer in den 70er Jahren als junger Student zwischen Hamburg und Frankfurt gependelt haben. Während er in Hamburg als Vorsitzender des radikalen Studentenbundes RCDS die Institutionen von innen auszuhebeln suchte, gehörte er in Frankfurt unter dem Kampfnamen „Joschka“ einer so genannten „Putzkolonne“ an, die dem „verdreckten System“ mit Feudel und Besen zu Leibe rückte.

Ins Zwielicht geraten sind auch Rühe und der schulpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Wolfgang Beuß. Beuß, so wurde jetzt bekannt, war in den 70er Jahren Zeitsoldat. „Ja, ich war militant“, räumt er ein. Wie Beuß eingesteht, sei man in den Wald gegangen und habe dort Übungen mit Waffen gemacht. Auch Rühe war lange Zeit ein „Waffennarr“, wie Zeitzeugen berichten. Noch in den frühen 90er Jahren habe er sich ein ganzes Arsenal zugelegt, mit dem er „auch gern posiert hat“, wie sich ein Bekannter aus der Bonner Wohngemeinschaft Hardthöhe erinnert.

Gleichzeitig wurden Vorwürfe gegen den Harburger Bürgerschaftsabgeordneten Andreas Kühn, geboren 1968 (sic), laut, er habe als Maurerlehrling noch in den 80ern Steine in die Hand genommen. Kühn will das nicht ausschließen, erinnert sich aber nicht mehr genau.

Unter Beschuss steht auch der stellvertretende Fraktionschef Roland Salchow. Wie jetzt bekannt wurde, hat sich der Physiker in der Vergangenheit ausführlich mit der Chaos-Theorie befasst. „Ja, wir träumten vom Chaos, von einer besseren Welt“, musste Salchow klein beigeben.

Auch der wirtschaftspolitische Sprecher Karl-Heinz Ehlers ist in den Strudel der Enthüllungen geraten. Er stand seit Jahren immer wieder im Verdacht, „eine ganz andere Republik“ zu wollen. Er habe bereits in den 70ern als Lehrer den „sozialdemokratischen Scheißstaat“ bekämpft. Als Geschäftsführer der Sprinkenhof-Immobilien AG musste er jetzt gestehen, es könne sein, dass in einer der Sprinkenhof-Wohnungen mal Bettina Röhl, die Tochter der Top-Terroristin Ulrike Meinhof, übernachtet haben könnte.

Rechtspolitiker Heino Vahldieck könnte sein Vorname zum Verhängnis werden. Der Aufstieg seines singenden Namensvetters begann exakt in den späten 60ern. Vahldieck, so heißt es, habe sich nie glaubhaft von Songs wie „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ oder „Caramaba, Caracho, ein Whiskey“ distanziert.

Unbeirrt von allen Anwürfen zeigt sich bisher nur Fraktionschef Ole von Beust. Obwohl bekannt wurde, dass auch er in den 70er Jahren studiert hat, klebt er weiter an seinem Amt und zeigt überhaupt keine Einsicht, „bisher immer eine völlig verquere Sicht auf diesen Staat“ gehabt zu haben. Noch letztens hat er seinen Straßenkampf vor der Roten Flora fortgesetzt.

Vom Tisch sind dagegen die Vorwürfe gegen den Handelskammer-Präsidenten Nikolaus W. Schües. Der hatte gegenüber dem Abendblatt zugegeben, er habe 1968 „gearbeitet statt zu demonstrieren“. Durch Zeugen und neue Dokumente ist inzwischen glaubhaft belegt, von dieser Vergangenheit habe er sich längst losgesagt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen