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Drückeberger gibt es kaum

Bernhard Jagoda lehnt Strafaktionen für Arbeitslose vehement ab: „Alles Vorurteile“

NÜRNBERG taz ■ „Wir sollten uns vor Vorurteilen hüten“, mahnt der Präsident der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit (BA), Bernhard Jagoda, eine sachliche Diskussion über die Arbeitslosigkeit an. Unmissverständlich machte er deutlich, was er von der Debatte über Drückeberger und Faulenzer hält: nichts.

Wer solches behaupte, verkenne die Realität. Vor allem die großen Bewegungen, die auf dem Arbeitsmarkt herrschen, sind für Jagoda ein Beleg dafür, dass ein großer Teil derjenigen, die sich arbeitslos melden, verhältnismäßig schnell wieder Arbeit findet. „Wenn sie nicht arbeiten wollten oder könnten, wäre dies sicher nicht so“, argumentiert der BA-Präsident. So hätten sich zwar im letzten Jahr 6,9 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet, 7,2 Millionen konnten aber ihre Arbeitslosigkeit beenden. Ein Drittel der Arbeitslosen fand binnen dreier Monate, vier Fünftel in Jahresfrist eine neuen Job.

Wer dennoch keinen oder nur sehr schwer eine Arbeit findet, kommt nicht zum Zuge, weil es zurzeit nicht für jeden einen Arbeitsplatz gibt und weil die Betriebe sehr hohe Maßstäbe anlegen. So hat, wer über 50 Jahre alt ist, ungelernt ist oder gesundheitlich beeinträchtigt bzw. behindert ist, ein höheres Risiko, arbeitslos zu werden und es dann auch zu bleiben. Die Arbeitslosenquote von Ungelernten ist dreimal so groß wie die von Qualifizierten. Während bei den unter 50-Jährigen die Arbeitslosigkeit im Durchschnitt 6,1 Monate dauert, suchen die über 50-Jährigen 17 Monate eine neue Stelle. „Bei genauerer Betrachtung der Arbeitsplätze müsste das nicht immer sein“, kritisierte der BA-Präsident die Praxis der Betriebe. Mit neuen Programmen wie „50 plus – Die können es“, einer Intensivvermittlung für potenzielle Langzeitarbeitslose, oder einem Aktionsprogramm zur Bereitstellung von Arbeitsplätzen für Behinderte wollen die Arbeitsämter nun gezielt gegensteuern.

Dass es unter den knapp vier Millionen Arbeitslosen auch Drückeberger gibt, leugnet Jagoda nicht. „Ihre Zahl ist aber insgesamt eher gering.“ Da jeder einzelne Missbrauchsfall „einer zu viel“ sei, gingen die Arbeitsämter konsequent dagegen vor. So wurden im letzten Jahr 74.000 Arbeitslosen die Leistungen für zwölf Wochen gesperrt, weil sie eine zumutbare Arbeit oder eine berufliche Eingliederungsmaßnahme abgelehnt hatten. Weiteren 16.900 wurde Arbeitslosengeld oder -hilfe dauerhaft gestrichen, weil sie ein zweites Mal ein Angebot des Arbeitsamtes nicht akzeptierten.

Seit 1997 sind solche Sperrzeiten sprunghaft angestiegen. Ein Beleg für zunehmende Arbeitsunwilligkeit ist das jedoch nicht. Um Sperrzeiten aussprechen zu können, müssen die Arbeitsämter erst einmal entsprechende Stellen anbieten können. Das können sie verstärkt, seit 1997 die Konjunktur angezogen hat. Zudem wurden die Zumutbarkeitsregelungen erheblich verschärft. Seither gibt es für Arbeitslose keinen Berufsschutz mehr, sie müssen für die Fahrt zur Arbeit bis zu 2,5 Stunden in Kauf nehmen und nach 6 Monaten Arbeitslosigkeit jede Arbeit akzeptieren, deren Lohn Arbeitslosengeld bzw. -hilfe übersteigt.

Eine weitere Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen lehnte Jagoda ebenso ab wie Kürzungen bei der Arbeitslosenhilfe: „Bei jedem, der längere Zeit davon leben muss, ist eine Verschuldung vorprogrammiert.“

BERND SIEGLER

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