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Rheinsberg ist ein Sonderfall

Morgen rollt ein Castortransport vom still gelegten AKW Rheinsberg. Die Anwohner sind froh. AKW-Gegner planen Proteste. PDS übt sich in Dialektik. 6.300 Polizisten im Einsatz

Knapp 350 UmweltschützerInnen protestierten am Sonntag im brandenburgischen Städtchen Rheinsberg gegen einen Transport von vier Castor-Behältern mit radioaktivem Müll. Der soll morgen aus dem 1990 stillgelegten AKW Rheinsberg ins Zwischenlager Nord (ZLN) im mecklenburgischen Lubmin fahren.

Für die regionalen AKW-GegnerInnen war die Demonstration trotz der wenigen Teilnehmer ein Erfolg. Denn anders als in Gorleben drängt ein Großteil der RheinsbergerInnen ungeduldig darauf, dass der seit mehreren Jahren verschobene Castor-Transport Ost endlich stattfindet. Sie wollen die atomaren Altlasten so schnell wie möglich aus der Stadt haben. „Wenn man gegen Kernkraft ist, dann muss man auch für den Abbau sein, und nun gibt es von den Atomkraftgegnern auch dagegen wieder Proteste“, argumentiert Rheinsbergs Bürgermeister Manfred Richter (SPD), der sogar mit der alten Anti-AKW-Parole „der AKW-Standort soll wieder zur grünen Wiese werden“ für den Transport wirbt.

Ähnlich argumentiert der Umweltminister von Mecklenburg-Vorpommern, Wolfgang Methling (PDS): „Der Transport ist die logische Konsequenz aus dem vor elf Jahren erfolgten Ausstieg Ostdeutschlands aus der Kernenergie.“ Seine Partei übt sich in dem Spagat, den Castor-Transport Ost zu billigen, ohne dass das Anti-AKW-Image, das sich die PDS mit ihrem Engagement gegen die Transporte nach Gorleben zu geben versucht, allzu stark angekratzt wird. „Die Transporte im Westen dienen dem Weiterbetrieb der Atomanlagen, in Rheinsberg werden Atomanlagen rückgebaut. Insofern ist das ein Sonderfall“, meint die PDS-Bundestagsabgeordnete Dagmar Enkelmann.

So viel Dialektik ist auch parteiintern umstritten. Mitglieder der PDS-Fraktionen Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern wollen sich an Protesten gegen den Transport beteiligen. Heftige Kritik an der Position üben auch regionale UmweltaktivistInnen. „Es ist problematisch, an irgendeiner Stelle anzufangen, ‚gute‘ von ‚schlechten‘ Transporten zu unterscheiden“, meint die Vorsitzende der Greifswalder Bürgerinitiative Kernenergie e. V., Anke Wagner. Für die Haltung der Bevölkerung hat sie dennoch Verständnis: „Mit Aktionen gegen den Transport wollen wir nicht gegen die Rheinsberger Bevölkerung protestieren, sondern zeigen, dass das Problem tiefer geht. Solange AKWs irgendwo laufen, sind sie eine Gefahr auch für die, die nicht direkt nebenan leben.“ Die BIs plädieren für eine weitere Lagerung des Atommülls in Rheinsberg. Man habe sich zwei Jahre auf die Transporte vorbereitet und werde am Tag X mit phantasievollen Aktionen zur Stelle sein, erklärte Wagner. Denn bei einem reibungslosen Transport könnte auch Atommüll aus anderen Regionen in das ZLN transportiert werden. Die Lagerkapazitäten dafür sind längst vorhanden.

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hat angekündigt, jegliche Proteste während der Transporte rigoros zu unterbinden. 6.300 Polizisten sind im Einsatz. Schon im Vorfeld stieß ihre massive Anwesenheit vor Ort auf Unmut: „Wir halten die seit Wochen andauernde polizeiliche Präsenz im Rheinsberger Raum für schlicht übertrieben“, erklärte der Kirchliche Umweltkreis Menz Ende April. Besondere Sorgen macht den Sicherheitskräften, dass sich demonstrationserfahrene AKW-GegnerInnen aus Berlin an den Protesten beteiligen könnten. Schließlich ist Rheinsberg nur knapp 80 Kilometer von Berlin entfernt. PETER NOWAK

kommentar SEITE 11Heute ab 17.30 Uhr Anti-AKW-Demonstration in Rheinsberg. Infos unter: beam.to/bi-greifswald; oderwww.oneworldweb.de/castor

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