unterm strich:
Die Bibel soll in einer gänzlich neuen Weise übersetzt werden. Die erste deutsche Bibelübersetzung in „gerechter Sprache“ wolle diskriminierende Formulierungen überwinden, sagt die von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau beauftragte Projektleiterin, die Frankfurter Pfarrerin Hanne Köhler. An diesem Mittwoch, dem Reformationstag, wird sich in der Evangelischen Akademie Arnoldshain in Schmitten im Taunus ein Herausgabekreis für das ehrgeizige Unterfangen gründen.
Bislang sei Gott in Bibelübersetzungen fast immer männlich angeredet worden, als Vater, Herr, Schöpfer, kritisiert Köhler. Das männliche Gottesbild binde die höchsten Werte an die Männerwelt. Dagegen gebe es in der Bibel auch weibliche Gottesbilder, wie Mutter, Weisheit, Geisteskraft. Die neue Übersetzung wolle die Vielfalt der biblischen Gottesbilder aufdecken. Statt „Vater unser im Himmel“ könne es nach dem Vorbild der Kirchentagsübersetzung von 1999 heißen: „Gott, für uns wie Vater und Mutter im Himmel“.
Frauen sollen nach den Worten Köhlers künftig in Bibeltexten nicht mehr verschwiegen werden. So werde die Gefolgschaft Jesu statt mit „Jünger Jesu“ künftig mit „Jüngerinnen und Jünger Jesu“ übersetzt. Und wenn Paulus sich an die Gemeinde wende, werde es statt „Liebe Brüder“ künftig „Liebe Schwestern und Brüder“ heißen. Die neue Bibelübersetzung werde auch das jüdisch-christliche Gespräch berücksichtigen.
Die Übersetzung solle aber keine freie Übertragung werden, sondern die Nähe zum ursprünglichen Text wahren, so Köhler. Wo biblische Texte ein Verhältnis der Unterdrückung beschrieben, solle das in der Übersetzung nicht gestrichen, sondern offengelegt werden.
Als Vorbild für die Bibelübersetzung in „gerechter Sprache“ dient neben US-amerikanischen Beispielen der vor kurzem erschienene vierte Band der Reihe „der gottesdienst“. Mit ihm liegen die Bibeltexte der Predigten und gottesdienstlichen Lesungen in „gerechter Sprache“ vor. Erhard Domay, Herausgeber von „der gottesdienst“ und Leiter des Pfarramts für theologische Fort- und Weiterbildung in der Evangelischen Kirche der Pfalz, wird zusammen mit Hanne Köhler die Herausgabe der neuen Bibelübersetzung koordinieren.
Bei der Übersetzung der Predigttexte sei der Anspruch der „gerechten“ Übersetzung gelegentlich in Konflikt mit dem Anspruch einer größtmöglichen Texttreue getreten, berichtet Domay. Besonders die Übersetzung der Gottesbezeichnungen habe für Auseinandersetzungen gesorgt. Die Gottesanrede „HERR“, mit der Luther den unausgesprochenen Gottesnamen in der hebräischen Bibel entsprechend dem jüdischen „adonaj“ übersetzte, sei wegen ihrer patriarchalen und obrigkeitsstaatlichen Bedeutung vermieden worden. Stattdessen hätten die Übersetzer den Ausdruck „Gott/Adonaj“ gewählt.
Neu ist auch das Personalpronomen „sie“ in Bezug auf Gott. Etwa wenn von Gott als Ursprung, Quelle oder göttlicher Macht die Rede sei. Oder bei der Übersetzung des Geistes Gottes mit „die Geistkraft“, die dem weiblichen Geschlecht des hebräischen Wortes entspreche. Die Bezeichnung von Jesus als „Menschensohn“ werde mit „Menschenkind“ übersetzt. Folglich sei etwa bei Johannes 3,16 nun von „dem einzigen eigenen Kind“ die Rede, statt wie bei Luther von „seinem eingeborenen Sohn“.
Der Herausgabekreis wird nach Köhlers Angaben rund 30 wissenschaftliche Übersetzerinnen und Übersetzer suchen. Mit der Übersetzungsarbeit soll sofort begonnen werden. Ein Beirat, der das Vorhaben in der Öffentlichkeit vertrete, werde noch dieses Jahr berufen. Das Erscheinen der neuen Bibel ist im Jahr 2006 geplant. Der Gütersloher Verlag hat zunächst eine Auflage von 10.000 Exemplaren vorgesehen. Für das Vorhaben werden noch Spenden in Höhe von einer halben Million Mark gesucht. (09865/30.10.01)
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