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Rot-Grün bremst Konzernfusionen

Vorstand und Aufsichtsrat einer bedrohten Firma können selbstständig Gegenwehr beschließen. Kritik von Aktionären

BERLIN taz ■ War es nun ein Zugeständnis an die Gewerkschaften? Oder hatte sich doch wieder die „alte Deutschland AG durchgesetzt“, wie Börsenexperte Wolfgang Gerke von der Universität Erlangen mutmaßte? Kleinaktionärsschützerin Reinhild Keitel war das letztlich egal. Nach gut anderhalb Jahren Vorlauf hatte der Bundestag in der Nacht vor der Vertrauensfrage des Kanzlers noch schnell das so genannte Übernahmegesetz durchgewunken. Ohne große öffentliche Debatte – aber mit einer entscheidenden Änderung gegenüber dem bisherigen Entwurf: Der Vorstand eines Unternehmens, das von einer feindlichen Übernahme bedroht ist, kann auch ohne Beschluss der Hauptversammlung in Absprache mit dem Aufsichtsrat Abwehrmaßnahmen ergreifen. Für Keitel kommt das einer Entmachtung der Aktionäre gleich. „Ein Skandal“, sagte sie.

Mit dem Gesetz will die Bundesregierung „den Ausverkauf deutscher Unternehmen verhindern und die Interessen von Arbeitnehmern und kleinen Aktiensparern bei Firmenübernahmen schützen“. Es bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates und kann so zum 1. Januar 2002 in Kraft treten.

Für Fusionen gibt es nun klare Vorgaben: So müssen die Aktionäre eines Unternehmens, das Ziel eines Übernahmeversuches ist, auf Deutsch über Angebot und Finanzierung informiert werden. Und sobald der Käufer mehr als 30 Prozent der Anteile besitzt, ist er verpflichtet, allen Anteilseignern ein Angebot zu machen. In dem derzeit noch geltenden freiwilligen Übernahmekodex gilt eine Grenze von 50 Prozent.

Mit den Regeln für das angegriffene Unternehmen setzt sich das deutsche Gesetz deutlich von der geplanten EU-Richtlinie ab. Dort sollen die Vorstände zur Neutralität verpflichtet werden, hätten also keine Chance, sich gegen feindliche Übernahmeversuche zu wehren. Der nun verabschiedete Entwurf sieht dagegen eine ganze Reihe möglicher Abwehrmaßnahmen vor: So kann eine Dreiviertelmehrheit auf der Hauptversammlung einen bis zu 18 Monate geltenden Vorratsbeschluss fassen, in dem dem Vorstand konkrete Maßnahmen wie der Verkauf von „Kronjuwelen“, also attraktiven Unternehmensteilen, zur Abschreckung oder die Suche nach einem „weißen Ritter“, einem genehmeren Konkurrenzangebot, ermöglicht werden. Vor der Anwendung muss jedoch der Aufsichtsrat zustimmen. Ihm kommt aber eine noch entscheidendere Rolle zu: Er kann den Vorstand auch ohne Extravotum der Aktionäre zu Abwehranstrengungen ermächtigen.

Während die Opposition im Bundestag sich vor allem über den „nationalen Alleingang“ aufregt, fühlen sich Kleinaktionärsschützer überrumpelt. „Da heißt es jetzt: alle Macht den Räten“, sagte Keitel. Zufrieden zeigte sich dagegen der Deutsche Gewerkschaftsbund. „Wir haben genau das gefordert“, bestätigte Referentin Marie Seyboth auf Anfrage: Mehr Macht für den Aufsichtsrat, in dem Anteilseigner und Arbeitnehmervertreter sitzen und der „eine Art verkleinerter Hauptversammlung“ darstelle. BEATE WILLMS

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