Bauminstallationen

Mit Restglitter

Ein grauer Tag, ein böser Tag. Wenn schon die Wintersonne nicht trösten will, muss man sich halt mehr bewegen. Also, ganz uneitel viele Schichten Laufklamotten übereinander gezogen und los. Draußen ist es schon dunkel und der Schleim auf der Strasse überfriert, aber egal. Plötzlich liegt ein Berg Tannen vor der Tür. Richtig aufgeschichtet, bis unter die Decke der Hofeinfahrt. Man kommt gar nicht mehr raus. Aber ich habe ja nicht umsonst Sportklamotten an und klettere los. Es piekst ganz schön, riecht aber auch gut. Es sind eine Menge Bäume, 17 oder 18 Stück. Die vorüberlaufenden Leute lachen. Ein Nachbar von gegenüber hat sich schon mit Digitalkamera zum Dokumentieren des Tannesberges eingefunden. Er meint: „Das waren die Jungs, die sonst immer auf der Kreuzung rumhängen.“ Das sind die, wegen denen öfter mal Anwohnertreffen stattfinden. Die BZ stilisiert sie gerne zur schlimmsten Jugendgang Berlins. Doch irgendwas scheint sie berührt zu haben an den restglitterigen Tannen, die derzeit an jeder Straßenecke liegen. Also lassen die Jungs sie noch mal als Rauminstallation glänzen. Es ist ja auch trist, wie 400.000 Tannen in der Stadt auf ihren Abtransport nach Brandenburg warten. Dort werden sie geschreddert und kompostiert, während in Weihnachtsbaumplantagen schon die nächsten fünf Jahre nachwachsen. Offensichtlich werden die Bäume nach ihrem großen Auftritt schon in den Wohnungen gleich wieder vergessen, denn jedes Jahr brauchen die Leute länger zum Entsorgen. So wird man wohl noch im März über Tannen stolpern. Als ich vom Joggen wiederkomme, ist der Zauber vorbei. Jemand hat das Gebilde zum Einsturz gebracht. Aber da hat der Nachbar auch schon die Fotos gemailt.

STEPHANIE GRIMM