: Trennung ohne Tränendrüse
■ Ab heute zählt nur noch der Euro – der D-Mark-Abschied längst vollzogen. Die taz testete mit einem alten Hunderter, was aus der Ur-Währung geworden ist
Die Geldschein-Häcksler laufen, rund 28 Milliarden Münzen werden derzeit maschinell deformiert und verwandeln sich in 100.000 Tonnen Altmetall. “Münzschrott“ heißt das im Fachjargon. So unsentimental, ja lieblos endet die D-Mark auch in Bremen. Jahrzehntelang gespart, verprasst und begehrt, haben selbst die Bahnhofs-Schnorrvögel längst umgesattelt. „Haste mal 'ne Mark“ – was früher Standardspruch auch im Viertel war, heißt heute charakterlos: „Ich bräuchte mal 20 Cent“. Bis gestern galt das deutsche Geld noch was – zumindest im Einzelhandel. Frau Göhring blickt leicht irritiert auf das bläuliche Konterfei Clara Schumanns, die Bezahlung für eine Tube „Uhu“. In Verlegenheit bringt der fast schon nostalgische Hunderter die Frau hinter der Kaufhof-Kasse aber nicht: „Natürlich nehmen wir noch D-Mark“, verkündet sie souverän. Die nächste Kundin darf sogar anstandslos gemischt bezahlen.
Im Reformhaus Lichte ist das nicht möglich. Der gute alte Papierstreifen löst aber auch hier keine Panik aus, im Gegenteil: „Das ist eine rühmliche Ausnahme“, bemerkt die Kassiererin, gerade als sei sie enttäuscht, dass schon seit Wochen kaum noch eine Mark in die Kasse wandert. Bei den Kunden scheint die bundesdeutsche Währung, deren Verlässlichkeit vor kurzem noch stolzgeschwellt gepriesen wurde, längst vergessen. Frau Prahl vom Buchhaus Thalia ist jedenfalls unsentimental: „D-Mark oder Euro, das ist uns egal. Hauptsache der Kunde zahlt.“ Ob am Bratwurstgrill von Stockinger oder bei Karstadt: Angenommen wird die D-Mark bis zuletzt, nur ausgeben will sie niemand mehr.
Abgeben auch nicht. Der Run auf die Banken zum Stichtag bleibt aus. „In der ersten Januarwoche war der Ansturm enorm“, erklärt der Pressesprecher der Dresdner Bank. „Dann ist der Tauschbedarf schnell zurückgegangen, auch was Münzen betrifft.“ Viele Geldstücke seien wohl verloren gegangen oder würden gehortet, vermutet er. Doch lohnt sich das überhaupt?
Der Münzhändler Manfred Fasse ist skeptisch: „Tatsächlich halten viele ihre Münzen zurück. Da wird heftig spekuliert.“ Für Prognosen sei es allerdings zu früh, betont der Fachmann. „Ob Eichenlaub oder Bundesadler, es gibt keinerlei Überblick, wie viele Münzen welcher Prägung zurückgegangen, wie viele noch auf dem Markt sind.“ Fasse mutmaßt: „In einigen Jahren müssen wahrscheinlich die Münzkataloge umgeschrieben werden.“ Einige Markstücke landeten in den letzten Tagen auch bei der Bürgerpark-Tombola, wo die Glücksfeen allerdings nur passend abgezähltes Alt-Geld annehmen dürfen. Nebenan auf dem Markt reagieren die Händler schon einen Tag vor dem Ende der Zwei-Währungs-Phase sogar mit offener Ablehnung auf eine Hundert-Mark-Note. „Muss das sein?“ fragt die junge Frau am Salatstand genervt, glücklich lächelt die Obstverkäuferin, als sie den heiß begehrten Euro in Händen hält. Es ist unabänderlich: die D-Mark Ludwig Erhards hat ausgedient.
Bremer können die nutzlosen Papierchen und Altmetallplättchen, die seit heute nicht mehr den Namen „Währung“ verdienen, nur noch bei der Landeszentralbank in der Kohlhökerstraße. Unbefristet und unentgeldlich wechselt sie deutsches Klein- und Scheingeld weiterhin in Euro. Selbst pekuniäre Urlaubsrückstände aus dem europäischen Ausland werden hier noch eingewechselt, das allerdings nur noch bis 31. März.
Christoph Kutzer
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