„Eine gute Performance“

Abstiegskandidat SC Freiburg verspielt gegen Tabellenführer Leverkusen eine 2:0-Führung, wertet das Spiel aber dennoch als Beweis, in den kommenden Wochen „da unten“ rauskommen zu können

aus Freiburg GERHARD WILHELM

Wer nur die nüchternen Fakten zu Rate zog, mochte irritiert sein. Schließlich hatte der SC Freiburg erneut nicht gewinnen können und war nach dem 2:2 (1:0) gegen Tabellenführer Bayer Leverkusen auf einen Abstiegsplatz abgerutscht. Trotzdem war Torhüter Richard Golz bei der Nachbereitung der bewegten Partie aufgeräumt wie seit Wochen nicht mehr. „Angesichts der Tabellenentwicklung klingt das vielleicht komisch“, fand Golz auch selbst, „aber ich bin heute optimistischer, dass wir es schaffen, als noch vor drei Wochen.“ Warum? Leverkusens Angreifer Oliver Neuville hatte die schlichteste, aber beileibe nicht die schlechteste aller Antworten parat: „Das ist eben Fußball.“

Etwas genauer müsste man wohl sagen: Was die 25.000 aufgewühlten Fans im Dreisamstadion erlebt hatten, war weniger eine Demonstration dessen, was Fußball ist, sondern viel mehr eine, was Fußball in seinen lichten Momenten sein kann. „Hoch dramatisch“ etwa, wie Leverkusens Trainer Klaus Toppmöller später sagte. Oder: „Ein gutes Spiel für die Zuschauer“, wie SC-Trainer Volker Finke fand. Oder, wie Keeper Golz zum Abschluss sagte: „Es war eine gute Performance heute.“ Den bösen Buben und Katalysator für die überbordenden Emotionen in der kleinen Arena musste dabei das Gespann von Schiedsrichter Edgar Steinborn abgeben. Zweimal hatte der Schiri im ersten Durchgang auf Geheiß des Assistenten mit umstrittenen Abseits-Entscheidungen Freiburger Treffer annuliert – und damit den SC-Trainer in der Pause zu therapeutischen Hilfestellungen gezwungen: Die Mannschaft hätte „schon etwas aufgefangen werden müssen, weil sie sich extrem benachteiligt fühlte“, berichtete Finke nach der Partie. Wobei es zu den sich überstürzenden Ereignissen des Nachmittages passte, dass die vermutlich entscheidende Fehlleistung des Schiedsrichter-Gespanns hernach gar nicht zur Diskussion stand.

Durchaus imVollbesitz der seelischen und körperlichen Kräfte hatte das SC-Team seine knappe Führung (Sellimi/41.) nach dem Wechsel durch But (53.) noch ausgebaut. Und als dann knapp zehn Minuten später der eingewechselte Florian Bruns allein auf die Reise Richtung Leverkusener Tor geschickt wurde, schien die frühe Vorentscheidung möglich – wenn nicht erneut ein Abseitspfiff von Schiri Steinborn die Aktion beendet hätte. Zu Unrecht, wie später die Zeitlupe zeigte . Aber damit nicht genug: Mit dem fälligen Freistoß leitete die Bayer-Elf den Angriff zum Anschlusstreffer durch Berbatov (64.) ein. Wie seine Mannschaft „danach zurückgekommen ist und Gas gegeben hat“, fand nicht nur Leverkusens Trainer eindrucksvoll.

Und auch Toppmöllers Ärger, dass Freiburgs zweiter Treffer durch eine Freistoßvariante zustande gekommen war, vor der er ausdrücklich gewarnt hatte, verwandelte sich später in geteiltes Leid. Denn auch der Kollege Finke musste bei Ballacks Kopfball-Ausgleich nach einer Ecke von Neuville (76.) einen Gegentreffer erdulden, der zum Standard-Repertoire der Bayer-Elf zählt.

Auf dem Platz leitete die dramatische Spielentwicklung ein furioses Finale ein, „in der man als Trainer tausend Tode stirbt“, wie Toppmöller später zu Protokoll gab. Sein Team hätte „sogar noch den Siegtreffer machen können, vielleicht machen müssen“, aber selbst dem Gästetrainer wäre das „des Guten zu viel und eine zu harte Bestrafung für die Freiburger gewesen, die sehr gut und sehr engagiert gespielt haben“. Blieb die Frage aller Fragen: War es angesichts der Tabellensituation für die einen ein gewonnener Punkt oder für die anderen – oder hatten beide wichtige Zähler verloren?

„Das werden wir in der Schlussabrechnung sehen“, beschied Toppmöller für den Meisterschaftsapiranten. Auf der anderen Seite hatte Volker Finke nicht nur „eine verbesserte Leistung“ ausgemacht, sondern auch „deutliche Hinweise darauf, dass wir in den kommenden Wochen mit Drei-Punkte-Spielen da unten rauskommen können“. Erst am Sonntagmorgen hat Finke sein Team darüber informiert, dass – ganz egal wie der Abstiegskampf ausgehen wird – im Sommer ein Wechsel in der Vereinsführung ansteht: Manager Andreas Rettig wird den Sport-Club verlassen und zum 1. FC Köln wechseln. Was ihn nach Köln zieht, so Rettig, „ist allein die Möglichkeit, ins Rheinland zurückzukehren – und die Herausforderung der dortigen Aufgabe“. Noch so eine Aussage, die zumindest indirekt auf Zuversicht im Freiburger Abstiegskampf deutet.

SC Freiburg: Golz - Müller, Kruse - Zeyer - Willi (72. Zkitschwili), Tanko (63. Bruns), But (82. Dorn), Kondé, Kobiaschwili - Iaschwili, SellimiBayer Leverkusen: Butt - Schneider, Lucio, Zivkovic, Placente - Ze Roberto, Ballack, Ramelow (46. Sebescen), Bastürk (62. Berbatow) - Kirsten (62. Brdaric), NeuvilleZuschauer: 24.900; Tore: 1:0 Sellimi (40.), 2:0 But (53.), 2:1 Ze Roberto (64.), 2:2 Ballack (75.)