piwik no script img

die anderen

Die französische Tageszeitung Le Monde kommentiert den Zusammenbruch von KirchMedia und die Veränderungen in der TV-Landschaft Europas: Die inflationären Übertragungsrechte im Fußball stehen direkt im Zusammenhang mit der Pleite von KirchMedia. Die Kirch-Gesellschaft ist nur knapp zwei Wochen nach dem Vergleichsantrag des britischen Digitalfernsehsenders ITV Digital zusammengebrochen, der sich mit den mehrere hundert Millionen Euro teuren Senderechten der britischen Fußballliga übernommen hat. Durch die Mediensupermärkte zum Massenprodukt erhoben, ist der Fußball alltäglich geworden. In Italien und Spanien drohen die digitalen Sendeplattformen an dieser Fernsehverdrossenheit zu ersticken. Der Fußball könnte das erste Opfer der in Gang gekommenen Umstrukturierung in der Fernsehlandschaft sein.

Die dänische Tageszeitung Information meint zum gleichen Thema mit Blick auf die Bundestagswahl: Kanzler Schröder hat die Kanonen gegenüber dem konservativen Kanzlerkandidaten Stoiber in Stellung gebracht. Er macht den Kirch-Bankrott zu einer Frage von Stoibers Charakter, dessen angeblicher wirtschaftlicher Inkompetenz und Mangel an Anstand. Reichlich populistisch projiziert der Kanzler die Angelegenheit auf die mediale Großleinwand. Statt über die Ursachen für vier Millionen Arbeitslose in ganz Deutschland zu sprechen, kann man sich mit 10.000 Arbeitsplätzen bei Kirch beschäftigen. Schröder ahnt, dass in der Kirch-Angelegenheit viel Potenzial steckt. Es wird das rot-grüne Hinterland sicher erfreuen, wenn er verhindern kann, dass Italiens Medienkönig Berlusconi die Kontrolle über diesen Teil der deutschen Medienlandschaft bekommt.

Das Luxemburger Wort schreibt dazu: Stoiber täte sicher gut daran, sich in Sachen Kirch nicht aus der Verantwortung stehlen zu wollen. Aber auch Schröder sitzt im Glashaus, denn seine Rolle in der Pleite des Holzmann-Konzerns war auch nicht gerade eine Glanznummer. Gewiss stellt seine Stoiber-Schelte auch ein Manöver dar, um von eigenen Fehlleistungen abzulenken. Doch sowohl Schröder als auch Stoiber sollten gut aufpassen, damit die Bundestagswahlen vom 22. September nicht mit einer bitteren Überraschung für die gesamte deutsche Politikerklasse enden. Die Spendenaffären von CDU und SPD sind unvergessen und schüren die Verdrossenheit vieler Bürger. Falls eine Rekordzahl von Wählern im Herbst den Urnengang verweigern sollte, wäre die Politpleite perfekt für alle Akteure.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen