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philipp maußhardt über klatsch Viel Qasqas auf Malta

Warum ich den Mann kennen lernte, der Gaddafi das Leben rettete und den Al-Qaida-Code knacken will

Gestern Abend saßen wir in einem libanesischen Lokal auf der Insel Malta und schauten hinaus aufs Meer. Rechts von mir saß ein deutscher Jude mit US-Pass, mir gegenüber ein Malteser, der nur wenige Worte Englisch sprach, und links ein Schwabe, der weder Englisch noch Maltesisch, sondern nur sehr schwäbisch sprach und in Ermangelung besserer Sprachkenntnisse jedes leere Glas sofort mit schwerem libanesischem Wein auffüllte. Außerdem zog er die ihm gegenüber sitzende Frau des Maltesers mit seinen Augen aus. Und mehrfach setzte der Schwabe zu einem dreckigen Witz an und bat mich zu übersetzen, was ich ablehnte.

Der Wirt, ein Libanese und orthodoxer Christ, setzte sich später zu uns an den Tisch, stellte die Flasche mit 53-prozentigem Arak dazu und sagte, dass man alle Politiker im Nahen Osten, Juden, Palästinenser und überhaupt alle, auf einen Scheiterhaufen legen und anzünden sollte. Wir stimmten sofort alle zu, zahlten schließlich seine viel zu hohe Rechnung und hätten ihn dafür gerne zu den anderen auf den Scheiterhaufen gelegt, waren für derlei Aktionen aber viel zu betrunken. Es war mal wieder so ein richtig schöner Abend eines Tages, den einem sowieso keiner glaubt.

Der Schwabe mit dem Goldkettchen um den Hals hatte mich nach Malta gelockt mit dem Versprechen, dort einen ganz heißen Kontakt herzustellen zu einem ehemaligen deutschen Kriminalbeamten, der in Stuttgart-Stammheim „damals“ ungeheuerliche Dinge mitbekommen und nach Malta habe abtauchen müssen. Heute arbeite er für verschiedene Geheimdienste. Ich war interessiert, und so waren wir Anfang dieser Woche über Stuttgart, Frankfurt und Amsterdam, um unsere Spuren zu verwischen, nach Malta geflogen.

Um mir seine Wichtigkeit zu beweisen, hatte er gleich am nächsten Morgen einen Termin mit dem maltesischen Tourismusminister gemacht. Ich wusste zwar nicht, was ich ihn fragen sollte, und umgekehrt ging es dem Minister ähnlich mit mir, glaube ich. Dafür erfuhr ich hinterher beiläufig, dass der Schwabe für die Vermittlung dieses „Gesprächs“ von der maltesischen Regierung eine Provision von 5.000 Euro verlangte. Immerhin habe er einen Journalisten auf die Insel gebracht. Ob er sein Geld bekommen hat, weiß ich nicht. Aber ich weiß jetzt wieder einmal, wie man Big Business macht.

Zum Mittagessen waren wir in ein italienisches Restaurant gegangen, wo der Geheimdienstagent zusammen mit dem Vorsitzenden der Partei der Grünen von Malta auf uns wartete. Der wackere Schwabe hatte den Öko-Politiker dazugebeten, weil er ihm bei Spaghetti marinara ein Heizkraftwerk verkaufen wollte. In seinen Äuglein leuchteten die Provisionslampen. Auch, als der grüne Politiker zum vierten Mal erklärte, das Problem auf Malta sei nicht die Wärmegewinnung, sondern die Kühlung im Sommer, sagte der Schwabe „werri gutt“.

Der Geheimdienstler hatte sich inzwischen sein viertes Bier bestellt. Was er mir dann im Laufe des Nachmittags alles erzählte, muss bei anderer Gelegenheit einmal ausführlicher berichtet werden. Nur so viel hier und heute: Mindestens Gaddafi verdankt ihm sein Leben, und auch Bin Laden sollte sich vor diesem Mann in Acht nehmen, der gerade dabei ist, den Geheimcode der al-Qaida zu knacken.

Am späten Nachmittag liefen wir zu einer Polizeistation. Der Agent ging hinein, grüßte den Wachhabenden und unterschrieb ein Formular. Das mache er schon seit Jahren so. Er müsse sich täglich zwischen fünf und sechs Uhr abends bei der Polizei melden. Warum, erzählte er mir auch nach dem achten Bier noch nicht.

Irgendwann wollte ich nur noch ins Bett. Aber meine Begleiter luden noch einen maltesischen Bekannten und dessen aparte Frau ins Auto ein, und schließlich landeten wir in diesem libanesischen Restaurant. Außer uns waren keine Gäste da, die Konversation drohte zu erlahmen. Weil der Schwabe kaum Englisch konnte und der Agent offenbar gar keine Lust zu reden hatte, fühlte ich die Last der peinlichen Schweigeminuten am Tisch auf meinen Schultern. So fragte ich das maltesische Ehepaar nach der Anzahl ihrer Kinder, erzählte, dass ich auch eines habe, das aber viel jünger als die ihren sei, und dass Stuttgart, eine Stadt, in Deutschland liege.

Als mir gar nichts mehr einfiel, ging ich innerlich auf Leck-mich-am-Arsch-Haltung. „Gibt es Klatsch auf Malta?“, fragte ich die Malteserin. Was das sei, wollte sie wissen. „Wenn man über seine Nachbarn so tratsch, tratsch, tratsch macht“, sagte ich, „wenn jemand schlecht über andere redet.“ Sie lächelte. „Qasqas heißt das hier“, sagte sie. Da schaltete sich auch der Geheimagent wieder ein. „Hier kennt jeder jeden. Wenn hier einer Scheiß baut, muss er von der Insel.“ Ach so. Na, auch gut, dachte ich. Versuch ich es mal.

Fragen zu Klatsch? kolumne@taz.de

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