sommerkrimi

Folge 33

„Dieser Khalil Kawas, darauf müssen wir uns konzentrieren. Heißt nicht einer von den Kurieren auch Kawas?“ Atze Wendt schob den Bleistift hinter das rechte Ohr und blickte Lund konzentriert an.

„Moment, Atze, hier, Aouni Kawas, hast Recht. Na ja, vielleicht ist Kawas bei den Arabern ein Name wie bei uns Meier. Auf jeden Fall scheint hier die Verbindung in die arabische Liga zu sein. Heute Nachmittag habe ich einen Termin mit Willi Daplano vom FBI. Da werde ich unseren Erkenntnisstand gegenchecken. Ich denke, wir sollten das weitere Vorgehen vom Ergebnis abhängig machen, oder was meint ihr?“

„Ich sehe das ganz genau so. Übertriebene Hektik bringt uns auch nicht weiter.“

Atze Wendt schaute Larissa Lehmann fragend an.

„Ja, sicher, Atze.“

„Macht euch mal heute Abend ein paar schöne Stunden. Morgen sollten wir uns per Konferenzschaltung zusammentelefonieren. Dann können wir in Ruhe überlegen, was zu tun ist.“

*

22.00 Uhr

Pieter Lund saß in der Havanna Bar, nippte an seinem zweiten Campari-Orange. Der Termin mit Willi Daplano hatte viel gebracht. Oder auch nicht. Je nachdem, wie herum man es betrachtete. Willi Daplano war beeindruckend. Er hatte die letzte Woche maximal drei, vier Stunden Schlaf bekommen. Lund erfuhr es nebenbei, ganz ohne dramatische Pose. Trotzdem war Willi Daplano ruhig, konzentriert und konnte sogar noch gut aussehen. Er sprach perfekt Deutsch. Ein Besatzungskind. Sohn eines in Deutschland stationierten Italo-Amerikaners und einer der vielen vereinsamten deutschen Nachkriegsfrauen. Daplano erstattete Bericht über die Arbeit der Sonderkommissionen, anschließend hörte er sich die Ergebnisse der Ermittlungsgruppe Lund an. Während er sprach, konzentriert zuhörte oder nachfragte, fütterte er nebenbei seinen Laptop. Wenn Pieter Lund eine Frage stellte, surfte Willi Daplano kurz durch seine Menüs, dann kam eine präzise Antwort. Wann, wo, wie, von wem, mit Ort, Zeit und Bedingungen. Perfekt. Lund kam sich einigermaßen hemdsärmelig vor, mit seinem zerknautschten Notizblock mit den halb zerfledderten Seiten, auf deren Eselsohren so manch ein Krickel-Krackel gemalt war. Ein regelrechtes Netzwerk der fundamentalistischen Moslems hatten die Sonderkommissionen ausgegraben. Im- und Exportfirmen, Computerfirmen, Wohnungen, studentische Arbeitsgruppen, religiöse Vereinigungen, Gruppen und Grüppchen. Es gab einige bundesweite Verbindungen, vor allem nach Nordrhein-Westfalen und in den Frankfurter Raum. Aber Hamburg erwies sich tatsächlich als Zentrum. Mehrere der Attentäter hatten an der Harburger TU studiert. In der Wohnung des untergetauchten Aouni Kawas hatten sie Unterlagen über seinen Bruder gefunden. Der hieß tatsächlich Khalil.

Vorabdruck aus Holger Biedermann, Von Ratten und Menschen, Kriminalroman, erscheint am 28.8. bei Edition Nautilus Hamburg, 192 S., 12,90 Euro, © Edition Nautilus