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Das gute Gewissen der Verweigerer

Ein Pazifist in Zeiten des Krieges: Ulrich Finckh, Leiter der Bremer Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer, wird 75 Jahre alt

Finckh: „Der Krieg stiftet immer mehr Schaden, als er abwendet“

Das gute Gewissen der deutschen Kriegsdienstverweigerer hat Geburtstag: Ulrich Finckh, Vorsitzender der „Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen“ mit Sitz in Bremen, wird heute 75 Jahre alt. „Der Krieg stiftet immer mehr Schaden, als er abwendet“, sagt der engagierte Christ und Pazifist, Demokrat und Bürgerrechtler. Diese Überzeugung hat ihn in den vergangenen Jahrzehnten begleitet – auch in den harten Zeiten der Kriege in Jugoslawien und Afghanistan. Über dreißig Jahre ist Finckh Vorsitzender der KDV-Zentralstelle am Dammweg, einer Einrichtung, mit der jeder „Zivi“ zumindest mittelbar Bekanntschaft gemacht haben dürfte.

Vietnam-Krieg, Ende der 60er Jahre: Finckh, damals um die 40, ist Studentenpfarrer in Hamburg. Nach Jahren in der kirchlichen Jugendarbeit ohnehin schon auf der pazifistischen Schiene, kümmert sich der Theologe seelsorgerisch um die steigende Zahl von Kriegsdienstverweigerern und Zivildienstleistenden. Damals, erinnert sich Finckh, habe man in erster Linie gegen die „inquisitorischen“ Anerkennungsverfahren gekämpft: verhörähnliche Befragungen über acht, neun Stunden, die Kommission mit dem Fenster im Rücken, der Antragsteller im blendenden Licht. Die jungen Männer seien „auf übelste Weise behandelt“ worden, sagt Finckh – gleichzeitig war die Dienstzeit deutlich länger als heute. Mussten die „Zivis“ Ende der achtziger Jahre noch 24 Monate zum Dienst, sind es heute noch zehn.

1970 wechselt er als Pfarrer der Gemeinde Horn II nach Bremen, wo Finckh im Folgejahr zum Vorsitzenden der Zentralstelle gewählt wird. Inzwischen haben sich die Rahmenbedingungen seiner Arbeit grundlegend geändert: Die Verweigererzahlen sind auf über 180.000 pro Jahr gestiegen (1970: knapp 20.000).

Auch das „Zivi“-Image hat sich gewandelt: Wer seinen Zivildienst ableistet, erscheint in der Öffentlichkeit längst nicht mehr als Waschlappen respektive Staatsfeind. Trotzdem, berichtet Finckh, gebe es noch jährlich tausende Prüfungsverfahren, bei denen der aus seiner Sicht „absurde Nachweis von Gewissensnöten“ eingefordert werde. Der Zivildienst sei überdies „eine verkappte Dienstpflicht“ exklusiv für Männer. Also, sagt der KDV-Vorsitzende, die Wehrpflicht gehöre abgeschafft.

In der Realität existiere in Deutschland ohnehin schon eine Interventionsarmee, die sich in der Mehrzahl aus Freiwilligen rekrutiere. Damit sei ein wichtiges Argument gegen die Abschaffung der Wehrpflicht weg gefallen. Die Erfahrung des Krieges am eigenen Leib und „die Empörung über staatliches Unrecht“ haben ihn motiviert, denjenigen zu helfen, die sich der staatlichen Wehrpflicht verweigern.

1942 in Düsseldorf ausgebombt, wird er im Jahr darauf Luftwaffenhelfer. Als 17-Jähriger kommt er zur Kriegsmarine. Nach Kriegsgefangenschaft und nachgeholtem Abitur beginnt Finckh sein Theologiestudium in Marburg.

Für Finckh ist es gerade der „moderne Krieg mit seinen unerhörten Vernichtungspotentialen“, der jegliche Verhältnismäßigkeit auf den Kopf stellt. Und das sei auch bei dem, „was die Amis zur Zeit machen“, nicht anders. Auch mit der Lehre vom „gerechten Krieg“ habe dieser Feldzug nicht zu tun, da die zivilen Mittel keineswegs ausgeschöpft worden sein.

Die Terroranschläge des 11. September sind aus Finckhs Sicht dazu benutzt worden, weltweit Freiheitsrechte auszuhebeln.

Dass die Abschaffung der Wehrpflicht heute überhaupt politisch diskutiert wird, wertet Finckhs Verband auch als Verdienst seines langjährigen Vorsitzenden. Dieser habe über die Jahre Tausende junger Männer beraten, Zehntausenden durch die von der Zentralstelle verbreiteten Broschüren Unterstützung gegeben und dafür gesorgt, dass die Kriegsdienstverweigerung ein öffentliches Thema wurde und blieb. Finckh ist darüber hinaus Mitbegründer des Sozialen Friedensdienstes Bremen, Mitherausgeber des Grundrechte-Reports und bereits seit langem für die Gustav-Heinemann-Initiative tätig. Obwohl der Krieg heute von vielen Menschen offensichtlich wieder als politisches Mittel akzeptiert wird, erscheint der 75-Jährige alles andere als resigniert: „Aufhören zu reden, das werde ich nicht!“

hase

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