rendezvous mit gemüse von WIGLAF DROSTE
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Es war Vollmond, die Hormone waren in Aufruhr. Hummelhintrige Damen sirrten und quecksilberten durch die Stadt. Der Abendhimmel hing voller Doppelmondpopos, die durch die dunkelblauen Lüfte zischten, warm und rund und fest. Ich aber war mit Sensationen bereits in ausreichender Menge ausgefüllt: Mit dem Versprechen kompetenter Fütterung hatte ich eine Dame zum Besuch geladen.

Ich zog die Kochjacke an und ging in die Küche. Hier lag ein Schlachtfeld, auf dem ich mich zu Hause fühlte. Nach dem Einkauf am Nachmittag hatte ich appetitliches Gemüse auf dem Küchentisch ausgebreitet. Während meiner Abwesenheit aber hatten sich die Lebensmittel selbstständig gemacht: Leuchtende Tomaten kullerten auf dem Tisch herum, ditschten duftende Zwiebeln und Knoblauchknollen an, als sei eine Billardpartie im Gange, Rote Beete rollte aufgeregt hin und her, und einige gut gebaute Möhren standen, die Beine übereinandergeschlagen, mit Gurken und Rettichen in der Raucherecke und erzählten sich Kai-Diekmann-Witze. „Diekmann hat jetzt einen Vertrag mit Bonduelle unterschrieben“, hörte ich eine besonders wohl geformte Mohrübe kichern. „Der wird als feines Möhrchen eingedost.“ Alles gibbelte durcheinander, und dann stimmten sie den Kanon an, der kulturbeflissenes Gemüse seit Generationen in Stimmung bringt: „Buñuel ist das famose Zartgemüse aus der Dose …“

Zum Dank deutete ich eine Verbeugung an, legte Werkzeug und Holzbrett bereit und setzte mich. „Und nun ans Werk. Unters Messer, in die Schüsseln!“, rief ich. Die Tomaten gaben als erste klein bei. „Na gut, von mir aus“, säuselte ein besonders reifes Exemplar. „Aber erst noch nett betatschen!“ Bevor ich einwilligen konnte, hatte sich das Gemüse schon wieder zusammengerottet. „Genau!“, rief es im Chor. „Betatschen! Befummeln und nett betatschen!“ Ich willfuhr. Nur einen Rettich, der sich mit einem altklugen „Gemüse putzen ist Meditation“ wichtig machen wollte, schnippelte ich ohne viel Federlesens kurz und klein. Allen anderen aber erfüllte ich jeden Wunsch.

So traf mich mein Besuch an. Sie hatte Hunger, Durst, einen wachen Geist und Vollmond in den Augen mitgebracht, aber meine aufmerksame Gemüsebehandlung erfüllte sie sichtlich mit Argwohn. So weit ist es also gekommen in dieser Welt, dachte ich: Frauen sind eifersüchtig auf Gemüse. Doch sagte ich nichts, sondern führte sie an den gedeckten Tisch und widmete mich ganz ihr.

Wenn ich zwischen den Gängen in die Küche zurückkehrte, meuterte das Gemüse. „Vorhin hast du uns noch ganz fein gehackt“, piepste eine Frühlingszwiebel. „Und was ist jetzt? Wenn wir dich überhaupt noch zu sehen bekommen, dann geht das vite-vite – einmal grob mit dem Hackmesser drüber, ohne Vorspiel ab in die Vinaigrette, und das war’s dann!“ Sie hatten ja Recht, sich zu beschweren. Was sollte ich nur tun?

Für den nächsten Vollmond habe ich mich mit einer Bande Kohlrabi und einigen erfahrenen Teltower Rübchen verabredet. Selbstverständlich heimlich, denn ich möchte niemanden verletzen.