piwik no script img

Butler diskutiert über Zionismus„Ethik der Diaspora“

Judith Butler diskutierte mit taz-Autor Micha Brumlik im Jüdischen Museum in Berlin. Sie schwankt zwischen Philosophie und Aktivismus.

Judith Butler (hier beim Adorno-Preis in Frankfurt) versuchte in Berlin zu klären, was Zionismus überhaupt sei. Bild: dpa

Es hätte ein feierlicher Abschluss werden sollen. Die Philosophin Judith Butler war eben in der Frankfurter Paulskirche als erste Frau mit dem Theodor-W.-Adorno-Preis geehrt worden war. Am Samstag folgte sie einer gemeinsamen Einladung des Berliner Jüdischen Museums und des Kulturinstituts ICI Berlin, um mit dem Erziehungswissenschaftler und taz-Autor Micha Brumlik über die Frage „Gehört der Zionismus zum Judentum?“ zu diskutieren.

In den Wochen vor der Preisverleihung hatte es aber eine heftige Debatte über die Frage gegeben, ob die an der University of California in Berkeley lehrende Butler den Preis verliehen bekommen solle.

Protestiert hatte unter anderem der Zentralrat der Juden in Deutschland, da Butler nicht nur die antiisraelische Kampagne „Boykott – Desinvestition – Sanktionen (BDS)“ unterstützt, sondern auch die palästinensische Hamas und die libanesische Hisbollah als linke Bewegungen versteht.

Butler gab gleich zu Beginn zu verstehen, dass sie mit der zu erörternden Frage Schwierigkeiten habe. Es sei doch klar, dass der Zionismus zur Geschichte des Judentums gehöre. Und den in der Frage mitschwingenden moralischen Unterton, ob der Zionismus zum Judentum gehören solle, fände sie irritierend. Stattdessen versuchte sie zu klären, was Zionismus überhaupt sei.

Keine eingeengte Perspektive

Denn heutzutage sei die Frage: „Bist du ein Zionist?“ praktisch gleichbedeutend mit der Frage: „Glaubst du an das Existenzrecht Israels?“ Wer die erste Frage verneine, würde damit automatisch die Vernichtung Israels unterstützen.

Auf eine derart eingeengte Perspektive wolle sie sich nicht einlassen. Juden müssten in jedem Fall geschützt werden. Es sei aber ungewiss, ob der Zionismus die beste Lösung dafür darstelle.

In ihrer Kritik an der aktuellen Politik Israels setzte Butler auf Strategien der Kohabitation und ein Ende der Besatzung. Als moralisches Fundament propagierte sie eine „Ethik der Diaspora“. Die Erfahrung des jüdischen Exils habe die Sensibilität gegenüber anderen erhöht, die ihre Heimat oder ihre Rechte verloren hätten.

Daraus leite sich eine universelle ethische Verpflichtung nicht nur gegenüber Juden, sondern gegenüber allen Vertriebenen ab – einschließlich der Palästinenser. Brumlik, der sich unter anderem in seinem Buch „Kritik des Zionismus“ selbst gegen die israelische Besatzungspolitik ausgesprochen und die Verleihung des Adorno-Preises an Butler begrüßt hat, mochte sich diesem Universalismus aber nicht ohne weiteres anschließen.

„Keine moralischen Patenlösungen“

Er mahnte einen realistischeren Blick an: „Wir sollten keine moralischen Patentlösungen anbieten.“ Schon die Philosophin Hannah Arendt habe in den vierziger Jahren die richtigen Ideen zu Israel gehabt – eine politische Basis habe es dafür aber nicht gegeben.

Butler mache es sich zu einfach, wenn sie sich auf das Recht auf universale Kritik zurückziehe. Für die realen Konsequenzen ihrer Position müsse sie schließlich nicht einstehen. „Wo ist die Schwere, die Ernsthaftigkeit der Folgen, die ich auf mich nehme?“, fragte Brumlik und forderte, dass man die Selbstbehauptungsinteressen Israels ernst nehmen müsse.

Butler blieb da wenig übrig, als zu erwidern, irgendjemand müsse ja für das Unpraktische stehen. Butlers Einwände verblieben so im Allgemein-Unverbindlichen und wollten keine rechte Verbindung mit ihren Ausführungen zu ihrem Einsatz für die Kampagne „BDS“ erkennen lassen.

Man konnte zuweilen den Eindruck gewinnen, zwei Butlers sprechen zu hören: hier die Philosophin, die an die Denktradition von Arendt oder Martin Buber anknüpft, da die Aktivistin, die ihre politische Position wenig geschickt und überzeugend verteidigt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • E
    Eva

    Von was für einer "Bewegung" ist Butler selbstgewählt Aushängeschild. Vernünftige Künstler_innen wehren sich nun gegen irre Hasskampagnen, Stalking und Cybermobbing von BDS/ISM-Aktivist_innen (u.a. Antinormalisierungskampagnen). Diese Boykottaktivist_innen sind hasszerfressen und werden immer wahnsinniger, das Ganze ist langsam nicht mehr lustig. BDS schüchtert Künstler ein und bedroht weltweit "Kulturrschaffende". Was hat das mit Ethik zu tun?

     

    Umberto Eco nennt die BDS-Bewegung «absolut verrückt» und «grundsätzlich rassistisch».

     

    Der irische Autor Gerard Donovan bezeichnet sie als «Idioten», die jeden schikanieren, mobben und regelrecht einzuschüchtern.

     

    Die Band Dervish, die in Israel auftreten wollte, wurde mit einer regelrechten «Lawine von Gift und Hass» überrollt. Der irische Justizminister Alan Shatter bezeichnete das Vorgehen der BDS-Bewegung als «Cybermobbing».

     

    Jetzt erheben auch die französischen Jazz-Musiker Erik Truffaz and Jack Terrasson und deren Manager Christophe Deghelt gegen den Terror der BDS-Bewegung ihre Stimme.

     

    «Wir bemerkten, dass Eriks und Jackys Facebook-Seiten mit einschüchternden Kommentaren überflutet wurden, nicht von unseren Fans, sondern von BDS-Aktivisten. Einige dieser Kommentare sind wirklich widerlich, haben die Ebene von blosser Belästigung längst überschritten und sind eklatante Verunglimpfungen.»

     

    Unbedingt auch den ganzen Brief von Musikmanager Christophe Deghelt lesen, der der BDS-Bewegung die Leviten liest:

     

    «Was mich am meisten stört ist Ihr Hass auf Israel, ein pathologischer Hass, blind und hinter einem Schleier der «political correctness» versteckt. Ihre Aktionen zeigen nicht die Liebe oder die Verteidigung der Palästinenser, sondern einen Hass auf Israelis.»

     

    All dies weiß Butler, darauf angesprochen verneint Sie jegliche Verantwortung oder Auseinandersetzung.

     

    http://www.creativecommunityforpeace.com/Articles.asp?AID=188

     

    http://blog.camera.org/archives/2013/01/more_aritsts_call_out_bds_bull.html

  • S
    Spin

    @ "Kimme":

     

    butlers "hauptwerk stellt die theorie auf bzw. baut auf dieser auf, dass männer und frauen biologisch absolut identisch sind und sich lediglich durch sozialisation unterschiedlich entwickeln."

     

    aha. pro wort drei unbeweisbare behauptungen.

    man kann bulter vorwerfen, sie befasse sich nicht mit biologie, aber es ist vielleicht etwas dümmlich, dies von einer philosophin zu verlangen. nicht einmal sozialisation ist ihr gegenstand.

    das thema ihres frühwerks sind vielmehr die gesellschaftlichen diskurse und reglements, die eine trennscharfe bipolarität der geschlechter produzieren und den subjekten abverlangen.

     

    selbstverständlich dürfen sie gerne mit zitat belegen, dass für butler "männer und frauen biologisch absolut identisch sind", aber sie werden diese nicht finden.

    über ihre behauptungen, die aus spiegel und biologistischer rechtspresse abgeschrieben sind, wundert sich die fachwelt.

     

    ihre eigenen worte: "dies ist nachweislich totaler blödsinn", gelten mihin weniger für bultler als eben für ihre eigenen worte -- wie für den gesamten biologismus, und komme er auch wieder in mode.

  • H
    Harald

    Wer ist "Vertrieben"?

     

    Die ca. 2 Millionen Palästinenser, die in Israel leben? Oder die Palästinenser, die im heutigen Westjordanland und in Gaza leben? Wer oder was hindert denn Palästinenser, in Westjordanland oder Gaza zu leben?

     

    Es gibt wohl niemand, der lieber gestern als heute auf die Besatzung des Westjordanlands verzichten würde, als Israel.

     

    Das tunlichst in Vergessenheit gebrachte Problem dabei ist aber die robuste Folklore, mit der tausende von Israelis bei der Busfahrt, dem Kino oder Cafebesuch, einem gewissen, mehrteiligen Frühableben nähergebracht wurden, deren bodenständige, volkstümliche und beliebten Urheber alle aus dem Westjordanland kamen.

     

    Jetzt gibt es in Israel Leute, die das nicht ganz so witzig und gerechtfertigt finden, wie das z.B. in Deutschland tradierter Mainstream ist.

     

    Hier wird die berechtigte Empörung spürbar, daß Juden sich heutzutage anmaßen, über ihr Schicksal selber zu entscheiden. Wann hat es denn so was je gegeben?

     

    Die 17 Millionen Israelis werden es deshalb mit erleichterter Dankbarkeit aufgenommen haben, daß selbst Brumlik "forderte, dass man die Selbstbehauptungsinteressen Israels ernst nehmen müsse."

  • K
    Kimme

    Ich finde es schade, dass in der ganzen Diskussion kaum darüber gesprochen wird, weshalb sie den pres bekommt und ob sie ihn tatsächlich auch fachlich verdient hat. dies hat sie meiner ansicht nach nämlich nicht. ihr hauptwerk stellt die theorie auf bzw. baut auf dieser auf, dass männer und frauen biologisch absolut identisch sind und sich lediglich durch sozialisation unterschiedlich entwickeln. dies ist nachweislich totaler blödsinn. etablierte wissenschaftler haben nämlich bewiesen, dass es bereits bei den denkmustern neugeborener unterschiede zwischen den geschlechtern gibt und es bereits. also wird hier jemand für eine arbeit ausgezeichnet die nachweislich falsch und irreführend ist.

  • I
    I.Q

    Gibt es davon nicht irgendwo einen Aufzeichnung, schriftlich oder als Video?

     

    Man möchte sich doch gern vor Augen führen, wie das tatsächlich ausgesehen und sich angehört hat.

  • P
    peter

    selbstbehauptungswillen israels....ernst nehmen...

    ist so ein ding für sich...was soll denn da alles

    drunter subsumiert werden..?israel klaut land seit dem es den staat gibt.das ist völkerechtswidrig.man hat ihnen durch die uno ihren staat zugestanden

    aber es hört ja nicht auf.israel hat nicht mal die

    abkommen zu den internationalen strafgerichtshöfen

    unterzeichnet...behält sich also auch hier seine eigenen gusto vor.israel überfällt einen hilfskonvoi

    und verhängt vorher eine kriegsrechtsblockade über den gazastreifen...es provoziert auf internationaler ebene ,weil es den palästinensern keinen eigenen

    und zusammenhängenden staat gönnen will.

    israel ist selbst durch terrorismus entstanden.

    das man sich nicht vom iran mit atomwaffen bedrohen lassen will..? na das ist wohl verständlich...das es aber zuviel wasser für seine landwirtschaft beansprucht ist nicht redlich

    und wird nicht den menschenrechten gerecht...

    israel ist ein "fabelwesen" das vorgibt etwas

    mit hohen moralischen ansprüchen zu sein und die die am lautesten sind ,sind religiösefanatiker und fundamentale kriminelle..die nicht vor politischem

    mord zurückschrecken.daraus speist sich die mehrheit

    der derzeitigen regierung.was also soll dasselbstbehauptungsrecht israels sein.israel wäre vor allem verpflichtet mit den nationen zu kooperieren...und die vereinbarungen gegen kriegsverbrechen u.für d.internationale strafgerichte

    zu ratifizieren.es sollte nicht solch arrogante politik gegenüber diesem abkommen und der europäischen nato fahren.diese unterzeichnung sollte eine grundvoraussetzung für militär.beistand sein,aber auch ein zeichen der rechtswerteannäherung.

    israel schuldet der welt der vereinten nationen etwas,keine nation hat das recht eine andere nation für eine tat zu berauben die es selbst nicht beganngen hat.also sollte israel mal langsam im

    3 jahrtausend seine rechtsvorstellungen angleichen.

    oder eben keine hilfe mehr erwarten.konsequenzen..

    israel wäre mal an der reihe integrität zu beweisen.

  • RJ
    R. J

    Ob hier die Veranstaltung, ihre Inhalte und ihr Verlauf angemessen wiedergegeben werden?

     

    Die Jerusalem-Post schäumt vor Wut über den Butler Auftritt, schildert die Veranstaltung aber so, dass Frau Butler die Zuhörerschaft weit stärker zu überzeugen vermochte, als Micha Brumlik

     

    http://www.jpost.com/JewishWorld/JewishFeatures/Article.aspx?id=285289

     

    Und nebenbei: Hat denn der Herr Brumlik ausgeführt,

    was denn „die Selbstbehauptungsinteressen Israels“ sein sollen, die man „ernst nehmen müsse“ und wann und wo die vorliegen ?

     

    Wie steht er zum Rückkehrrecht der Palästinenser und was hält er aber auch Frau Butler davon, einen israelischen Staat wo anders zu errichten, dies auch nur ins Gespräch zu bringen?

  • TN
    tut nix zur sache

    micha brumlik verdient die judith buttler medalie,

    für alibijudentum.

  • G
    Gonzi

    Die Frage nach einem "Existenzrecht" für Staaten ist sowieso keine Glaubensfrage, sondern eine völkerrechtliche Übereinkunft von Staaten, wie sie gerade auch maßgeblich von der UN gesetzt wird.

    Dort wird entschieden, wo ein anerkannter Staat liegt und ob er aufgenommen wird, ihm die Rechte und Pflichten eines Staates zugebilligt werden.

     

    Dort aber können Staaten auch ausgeschlossen werden, wenn sie nicht geeignet sind, den Völkerfrieden aufrecht zu erhalten und sich als Hindernis für den Frieden erweisen.

  • E
    evay

    Schade, dass der Berichterstatter so einseitig die Position des taz-Autors vertritt. Er hätte auch schreiben können, dass die vermeintlich "realpolitische" Haltung der zionistischen Position Brumliks nicht anderes bedeutet als Millionen von Menschen auf Dauer unter Militär- und Besatzungsrecht zu halten, also für Israel sehr bequem ist. Damit unterscheidet sich Brumliks Position in nichts von Netanjahu.