„Jahrhundertfluten sind ein Vorgeschmack“

Wir werden eine Klima bedingte Rezession erleben, sagt Umweltökonomin Claudia Kemfert

taz: Frau Kemfert, trinken Sie gerne Bier?

Claudia Kemfert: Ab und zu. Warum?

Ihre Kollegin Daniela Jacob sagt, sie würde erst nach drei Gläsern etwas zu den Folgen des Klimawandels sagen.

Frau Jacob ist Klimaforscherin. Als Ökonomin beschäftige ich mich von Haus aus mit den finanziellen Folgen der Erderwärmung und kann mich deshalb ganz nüchtern diesem Thema widmen.

Was bereitet Ihnen mit Blick auf die Zukunft von NRW die meisten Kopfschmerzen?

Wie in anderen Gegenden Deutschlands wird eine vermehrte Anzahl extremer Wetterereignisse wie Stürme und Überschwemmungen in der Region hohe Sach- und Immobilienschäden verursachen. Andere Bundesländer sind davon vielleicht noch mehr betroffen, aber Nordrhein-Westfalen hat ein ganz großes Kühlproblem bei den Kraftwerken.

Weil das Flusswasser zum Kühlen knapp wird müssen die Kraftwerke vom Netz?

Mit ihnen allerdings auch zahlreiche Haushalte und Unternehmen. Ein Stromausfall wie der am Samstag während der normalen Arbeitszeit vernichtet im Sekundenbruchteil immensen volkswirtschaftlichen Wohlstand.

Wie hoch schätzen Sie die Klimakosten für NRW?

Die so genannten Jahrhundertfluten und -sommer geben einen Vorgeschmack auf die Zukunft. Hausbesitzer in Gefahrenregionen bekommen das jetzt schon durch erhöhte Versicherungsprämien zu spüren. Volkswirtschaftlich gesehen wird die Beseitigung der Schäden unseren Simulationen zufolge 2030 jährlich rund 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes verschlingen. Das wird schrittweise mehr. 2050 sind es dann schon fünf Prozent.

Aber die NRW-Wirtschaft wächst doch jetzt noch nicht einmal mit 2,5 Prozent?

Deshalb geht es an die Substanz. Wir werden eine Klima bedingte Rezession erleben.

Wie kann man das ändern?

Durch Investitionen in erneuerbare Energien. Die reichen aber wahrscheinlich erst gegen Ende des Jahrhunderts aus, um die Strombedarf zu decken. Die Zwischenzeit könnte mit CO_2-neutrale Kohlekraftwerken überbrückt werden. Die nordrhein-westfälische Industrie hat hierfür Konzepte und könnte einen Weltmarkt erschließen.

Aber das klingt teuer.

Das ist natürlich teuer. Aber je später wir den Klimawandel bremsen, umso teuerer kommt er uns zu stehen. Schon allein aus ökonomischer Sicht.

INTERVIEW: RALF GÖTZE