PHILIPP MAUSSHARDT über KLATSCH: Mit Rotwein im Internet
Für 200 Gäste kochen? Kein Problem, seit ich bei Ebay dieses Riesending ersteigert habe
Dass es so etwas überhaupt gibt, weiß ich noch nicht lange, und wie das Ding heißt, konnte ich mir anfangs nur schwer merken. Das Wort war mir vorher nie begegnet und darum antworte ich auch jetzt noch immer: „Es ist eine Art Herd“, wenn jemand wissen will, auf was, um Himmels Willen, ich ein Boeuf Stroganoff für 200 Gäste kochen möchte.
Wer im Internet bei Wikipedia oder im Bücherregal im Duden nachschlägt, wird unter „Kippbratpfanne“ keinen Eintrag finden. Auch im großen Brockhaus klafft zwischen Kippa („kappenförmige Kopfbedeckung der jüdischen Männer“) und Kipper („Lastkraftwagen zur Beförderung von schüttbaren Gütern“) eine Lücke so groß wie, ja, eben wie eine Kippbratpfanne: zwei Meter breit, ein Meter tief, ein Meter hoch.
Kippbratpfanne ist kein Wort, mit dem sich Sprachforscher oder Enzyklopäden bislang beschäftigt haben. Nur Mensaköche, Jugendherbergsväter und Großküchengerätehersteller wüssten sofort, von was ich spreche. Doch davon habe ich keinen im Bekanntenkreis.
Es muss spät in der Nacht gewesen sein, denn am nächsten Morgen fand ich eine fast leere Rotweinflasche neben dem noch eingeschalteten Computer, auf dessen Bildschirm ich die Ebay-Nachricht, „Herzlichen Glückwunsch, der Artikel gehört Ihnen!“ nicht recht einordnen konnte.
Es dauerte eine Weile, dann wusste ich: Ich hatte wohl in stark fröhlichem Zustand eine alte Kippbratpfanne aus einer aufgelösten Betriebskantine im Ruhrgebiet ersteigert, zum sensationellen Schnäppchenpreis von 160 Euro.
Fünf Tage später hielt ein Lkw vor dem Haus, und der Fahrer fragte mich tatsächlich, ob ich einen Gabelstapler hätte, um das Ding abzuladen. „Klar doch“, scherzte ich und rief meine Frau: „Hol mal den Gabelstapler aus dem Schrank.“
Die Palette wog ungefähr 300 Kilo und stand dann schließlich – dank zehn hilfsbereiter Nachbarn – irgendwann ziemlich verloren auf dem Parkplatz vor dem Haus, während ich mir schwor, nie wieder gleichzeitig Rotwein zu trinken und im Internet zu surfen.
Ich will hier nicht in die Details gehen, mit welchen Kosenamen meine Frau mich in jenen Tagen belegte, ich jedenfalls verhielt mich wie ein geprügelter Hund und wiederholte in Bezug auf sie und das Ding auf dem Parkplatz nur still das alte Luther-Wort: „Wo wir sie nun einmal haben, wollen wir sie auch lieben.“ Das war im vergangenen Sommer.
Heute bin ich der Held im ganzen Viertel. „Ich habe da in zwei Wochen eine kleine Betriebsfeier“, kam erst vor ein paar Tagen wieder der Besitzer eines benachbarten Einrichtungshauses und fragte, ob ich nicht mit „diesem Ding “ die Verköstigung der 60 Gäste übernehmen könne. 60 sind kein Problem, sagte ich ihm, ab 200 wird es kritisch.
„Das Ding“ steht inzwischen in einer alten Fabrikhalle, ist mit Rädern versehen und kann an jeden beliebigen Ort, der über einen Starkstromanschluss verfügt, transportiert werden. Ich hatte ja keine Ahnung, wie groß in Deutschland der Bedarf an Kippbratpfannen ist: Theaterveranstaltungen, Dorffeste, Nachbarschafts-Feten, Hochzeiten – ich habe in den zurückliegenden Monaten noch keine einzige Anfrage nach meiner Kippbratpfanne ausgeschlagen und verfüge inzwischen sogar über eine ausreichende Anzahl von leckeren Rezepten für kippbratpfannentaugliche Gerichte: Lamm-Curry, Boeuf Stroganoff, Wildschweingulasch.
Besonders das Gulasch wird sensationell, köchelt man es für 200 Personen über mehrere Stunden hinweg ein.
Heute Morgen war wieder der Computer an, eine Weinflasche stand daneben und ich erschrak. Vorsichtig näherte ich mich dem Bildschirm und blätterte die von mir in der Nacht offenbar aufgerufenen Seiten bei Ebay zurück: „Bombenleitwerk einer 250-kg-Splitterbombe“, las ich, „Patente für den Bau von Raketenantrieben“, und „Altes, aber funktionstüchtiges Röntgengerät“.
Ich werde die nächsten Tage einfach nicht an die Türe gehen, wenn es klingelt.
Fotohinweis: PHILIPP MAUSSHARDT KLATSCH 200 hungrige Gäste? kolumne@taz.de Montag: Montag? Das ist doch noch laaang hin!
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