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Berliner pfeifen auf den Gipfel

Bundeskanzlerin Merkel hat für heute zum Integrationsgipfel geladen. Die Vertreter Berliner Migrantenverbände berührt das aber kaum. Einige fühlen sich sogar richtig ausgegrenzt

VON ALKE WIERTH

Der heute in Berlin erstmals stattfindende Integrationsgipfel weckt bei Berliner Zuwanderern wenig Hoffnungen auf nennenswerte Veränderungen in der Migrationspolitik des Bundes. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat zum Gipfel 80 Gäste, darunter knapp 30 Migrantenvertreter, eingeladen. Die Berliner Zuwanderer kritisieren neben schlechter Vorbereitung und Intransparenz bei der Auswahl der Gäste auch die Themen: Viele der behandelten Bereiche wie Bildung oder Sprachförderung seien landespolitische Aufgaben und damit nicht auf Bundesebene zu lösen.

Unzufrieden sind vor allem die nicht Eingeladenen: Burhan Kesici, Sprecher der Islamischen Föderation Berlin, findet den Gipfel zwar „im Prinzip gut“. Man könne aber kaum Ergebnisse erwarten, wenn gerade die Organisationen ausgeschlossen würden, die „die Massen erreichen können“. Islamische Vereine sind bei dem Treffen nur durch die Ditib vertreten, den deutschen Ableger des türkischen Amtes für religiöse Angelegenheiten. Celal Altun von der Türkischen Gemeinde Berlin hält gar die türkischen Zuwanderer als größte Minderheit in Deutschland insgesamt für zu schwach vertreten. Elf der knapp dreißig Migrantenvertreter beim heutigen Gipfel sind türkischer Herkunft. Arabische und afrikanische Zuwanderer werden dagegen von jeweils nur einem Vertreter repräsentiert. Ausgegrenzt fühlen sich deshalb vor allem die Flüchtlingsorganisationen.

„Für uns bleibt alles beim Alten“, meint Walid Chahrour von der Palästinensischen Gemeinde Berlin. „Man redet über uns, aber nicht mit uns.“ Auch Moctar Kamara vom Afrikarat ist enttäuscht. Telefonisch habe er sich um eine Einladung bemüht. „Sie haben so getan, als ob sie uns nicht kennen“, schimpft Kamara. Dabei hat der Afrikarat kürzlich die bundesweite Debatte um No-go-Areas im Vorfeld der Fußball-WM mit angestoßen.

Eine reine PR-Aktion sei der Gipfel, sagt Kamara deshalb. Ergebnisse, gar positive Veränderungen erwarte er nicht. In der Berliner Landespolitik sei man ohnehin in Sachen Integration schon viel weiter: Im Integrationsbeirat des Senats hätten Vertreter der Migrantengruppen längst aktive Mitgestaltungsmöglichkeiten. „Das hat viel gebracht“, meint Kamara.

Auch Günter Piening, Integrationsbeauftragter des rot-roten Senats, meint, dass die Länder vieles von dem, was nun auf Bundesebene besprochen werden solle, längst umgesetzt hätten – beispielsweise bei der Sprachförderung. „Davon, dass der Bund im Bereich Integration 80 Millionen Euro einsparen will, dass außerdem die Einbürgerung für junge Migranten weiter erschwert werden soll, redet niemand.“ Für eine „Schaufensterveranstaltung“ hält er den Gipfel deshalb: „Es wird sich später zeigen, ob uns da nur ein hübsches Arrangement präsentiert wird, oder ob die Bundesregierung entsprechende Angebote tatsächlich im Sortiment hat.“

Das will auch Safter Cinar vom Türkischen Bund Berlin abwarten, bevor er den Gipfel tatsächlich beurteilt. „Wenn es eine Fortsetzung gibt und wenn tatsächlich Arbeitsgruppen entstehen, dann ist das gut.“ Wenn der Gipfel aber ein „symbolischer Akt“ bleibe, dann, meint Cinar, sollten die Migrantenvertreter nicht wieder teilnehmen.

Dazu hat sich Witold Kaminski vom Polnischen Sozialrat Berlin schon dieses Mal entschlossen. Ihm fehlt eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Ursachen gescheiterter Integration. „Solange Migranten hier nur als Problem und Migration nicht als Chance betrachtet wird, kann Integration nicht klappen“, meint er. Dass der Gipfel auch als symbolischer Akt der Anerkennung positive Wirkung haben könnte, glaubt er nicht: „So blöd sind wir auch nicht.“ Vertreten sein wird der Polnische Sozialrat auf dem heutigen Gipfel dennoch – die Vorsitzende Izabela Ebertowska geht hin.

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